Warmherziges Buch über das moderne Leben
In ihrem Roman „Stars“ erzählt Katja Kullmann die Geschichte von Carla Mittmann – einer Frau zwischen Bürofrust, Sinnsuche und dem bizarren Aufstieg zur Star-Astrologin. Es ist ein scharfsinniger, gleichzeitig poetischer und gesellschaftskritischer Roman, der mehr ist als eine Geschichte über Horoskope: ein Spiegelbild unserer Zeit.
Carla Mittmann war einst Philosophiestudentin mit großen Hoffnungen. Doch Jahre später arbeitet sie in einem monotonen Teilzeitjob bei einem Möbelunternehmen, spezialisiert auf Reklamationen und Bestellungen für Amtsstühle und Wartezimmermöbel. Ihre Realität ist geprägt von Routine, Unterforderung und einer latenten Resignation. Als „Cosmic Charly“ betreibt sie nebenbei eine Astrologie-Website – zunächst nur als ironischer Nebenverdienst, ohne jeglichen Glauben an das kosmische System. Doch die Sehnsucht anderer Menschen nach Orientierung wird für Carla zur Einnahmequelle – und plötzlich auch zur Bühne ihres eigenen Aufbruchs.
Der Auslöser für die entscheidende Wendung ist so märchenhaft wie rätselhaft: Ein anonymer Schuhkarton mit 10.000 Dollar steht eines Tages vor ihrer Wohnungstür. Statt in Panik zu verfallen, begreift Carla diesen Akt – eine Mischung aus Übergriff und Geschenk – als einen Weckruf. Sie beschließt, ihr Leben zu verändern. Mit dem mysteriösen Geld gründet sie ein echtes Astrologie-Business und erlebt, wie sie zur gefragten Ratgeberin aufsteigt. Die Welt liegt ihr plötzlich zu Füßen – zumindest für eine Weile.
Was Katja Kullmann dabei gelingt, ist nicht einfach eine Aufsteigergeschichte oder eine satirische Milieustudie. Vielmehr analysiert sie auf kluge und literarisch ansprechende Weise die emotionale, politische und gesellschaftliche Verfassung unserer Gegenwart. Ihre Hauptfigur Carla ist dabei beides: Beobachterin und Betroffene, zynisch und verletzlich, wach und gleichzeitig verloren. Zwischen Bürofloskeln, Rabattaktionen, „Magendarm“-Krankmeldungen und esoterischem Astrojargon entspinnt sich ein Bild einer Gesellschaft, die Halt sucht – und sich dabei gerne von Illusionen leiten lässt.
Der Roman stellt zentrale Fragen: Was gibt unserem Leben Sinn? Welche Geschichten glauben wir, wenn nichts anderes mehr trägt? Und wo verläuft die Grenze zwischen Eigenverantwortung und Selbstbetrug? Kullmann entlarvt den modernen Drang nach Spiritualität nicht mit Hohn, sondern mit feinem Spott und zugleich viel Empathie für ihre Figuren. Sie schreibt humorvoll, präzise und mit einem melancholischen Unterton, der nachwirkt.
Auch stilistisch überzeugt „Stars“: Der Text ist durchzogen von Reflexionen, Erinnerungen, klugen Kommentaren zum Zeitgeist. Kullmann beherrscht die Balance zwischen literarischem Erzählen und gesellschaftlicher Analyse. Besonders beeindruckend ist, wie sie Carlas Innenleben aufzeigt: die ständige Selbstbefragung, das Spiel mit Rollen, die Unsicherheit hinter der Fassade. Die Geschichte gewinnt durch diese Tiefe und Vielschichtigkeit eine fast essayistische Qualität.
Am Ende bleibt Carla keine Heilige, keine Heldin, kein Vorbild. Sie ist eine Suchende – wie viele in der heutigen Zeit. Der Roman vermeidet einfache Antworten. Stattdessen zeigt er, wie brüchig die Selbstbilder unserer Leistungsgesellschaft geworden sind und wie sehr Menschen sich nach Ordnung sehnen – sei es durch Sterne, Systeme oder Geld.
„Stars“ ist ein origineller, intelligenter und zugleich unterhaltsamer Roman, der Themen wie Identität, Arbeit, Spiritualität und mediale Selbstinszenierung auf ungewöhnliche Weise verbindet. Katja Kullmann gelingt es, mit viel sprachlicher Finesse und analytischem Scharfsinn eine Figur zu schaffen, in der sich viele Leserinnen und Leser wiederfinden werden – auch wenn sie keine Horoskope lesen.
Fazit:
Ein kluges, scharf beobachtetes und gleichzeitig warmherziges Buch über das moderne Leben zwischen Anpassung, Ausbruch und dem Wunsch, gesehen zu werden. „Stars“ ist sowohl Gesellschaftsroman als auch ein Spiegel unserer inneren Unruhe – und auf jeden Fall lesenswert.
Carla Mittmann war einst Philosophiestudentin mit großen Hoffnungen. Doch Jahre später arbeitet sie in einem monotonen Teilzeitjob bei einem Möbelunternehmen, spezialisiert auf Reklamationen und Bestellungen für Amtsstühle und Wartezimmermöbel. Ihre Realität ist geprägt von Routine, Unterforderung und einer latenten Resignation. Als „Cosmic Charly“ betreibt sie nebenbei eine Astrologie-Website – zunächst nur als ironischer Nebenverdienst, ohne jeglichen Glauben an das kosmische System. Doch die Sehnsucht anderer Menschen nach Orientierung wird für Carla zur Einnahmequelle – und plötzlich auch zur Bühne ihres eigenen Aufbruchs.
Der Auslöser für die entscheidende Wendung ist so märchenhaft wie rätselhaft: Ein anonymer Schuhkarton mit 10.000 Dollar steht eines Tages vor ihrer Wohnungstür. Statt in Panik zu verfallen, begreift Carla diesen Akt – eine Mischung aus Übergriff und Geschenk – als einen Weckruf. Sie beschließt, ihr Leben zu verändern. Mit dem mysteriösen Geld gründet sie ein echtes Astrologie-Business und erlebt, wie sie zur gefragten Ratgeberin aufsteigt. Die Welt liegt ihr plötzlich zu Füßen – zumindest für eine Weile.
Was Katja Kullmann dabei gelingt, ist nicht einfach eine Aufsteigergeschichte oder eine satirische Milieustudie. Vielmehr analysiert sie auf kluge und literarisch ansprechende Weise die emotionale, politische und gesellschaftliche Verfassung unserer Gegenwart. Ihre Hauptfigur Carla ist dabei beides: Beobachterin und Betroffene, zynisch und verletzlich, wach und gleichzeitig verloren. Zwischen Bürofloskeln, Rabattaktionen, „Magendarm“-Krankmeldungen und esoterischem Astrojargon entspinnt sich ein Bild einer Gesellschaft, die Halt sucht – und sich dabei gerne von Illusionen leiten lässt.
Der Roman stellt zentrale Fragen: Was gibt unserem Leben Sinn? Welche Geschichten glauben wir, wenn nichts anderes mehr trägt? Und wo verläuft die Grenze zwischen Eigenverantwortung und Selbstbetrug? Kullmann entlarvt den modernen Drang nach Spiritualität nicht mit Hohn, sondern mit feinem Spott und zugleich viel Empathie für ihre Figuren. Sie schreibt humorvoll, präzise und mit einem melancholischen Unterton, der nachwirkt.
Auch stilistisch überzeugt „Stars“: Der Text ist durchzogen von Reflexionen, Erinnerungen, klugen Kommentaren zum Zeitgeist. Kullmann beherrscht die Balance zwischen literarischem Erzählen und gesellschaftlicher Analyse. Besonders beeindruckend ist, wie sie Carlas Innenleben aufzeigt: die ständige Selbstbefragung, das Spiel mit Rollen, die Unsicherheit hinter der Fassade. Die Geschichte gewinnt durch diese Tiefe und Vielschichtigkeit eine fast essayistische Qualität.
Am Ende bleibt Carla keine Heilige, keine Heldin, kein Vorbild. Sie ist eine Suchende – wie viele in der heutigen Zeit. Der Roman vermeidet einfache Antworten. Stattdessen zeigt er, wie brüchig die Selbstbilder unserer Leistungsgesellschaft geworden sind und wie sehr Menschen sich nach Ordnung sehnen – sei es durch Sterne, Systeme oder Geld.
„Stars“ ist ein origineller, intelligenter und zugleich unterhaltsamer Roman, der Themen wie Identität, Arbeit, Spiritualität und mediale Selbstinszenierung auf ungewöhnliche Weise verbindet. Katja Kullmann gelingt es, mit viel sprachlicher Finesse und analytischem Scharfsinn eine Figur zu schaffen, in der sich viele Leserinnen und Leser wiederfinden werden – auch wenn sie keine Horoskope lesen.
Fazit:
Ein kluges, scharf beobachtetes und gleichzeitig warmherziges Buch über das moderne Leben zwischen Anpassung, Ausbruch und dem Wunsch, gesehen zu werden. „Stars“ ist sowohl Gesellschaftsroman als auch ein Spiegel unserer inneren Unruhe – und auf jeden Fall lesenswert.