Verschenktes Potential und absolut keine Dark-Academia-Vibes

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hapedah Avatar

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Seitdem ihr Vater vor Jahren verschwand, lässt Natasha Clarke ihr Leben eher an sich vorüber ziehen, ihre Freundin Elodie dagegen gehört zu den angesagtesten Mädchen der Highschool. Als Elodie Natasha eines Tages dazu überredet, die Schule zu schwänzen und bereits am frühen Nachmittag in einen mysteriösen Club zu gehen, verliert Nat das Bewusstsein und findet erst am nächsten Tag mitten im Unterricht wieder zu sich. Im nächsten Moment wird sie auch schon des Diebstahls bezichtigt und von der Schule verwiesen - ehe Natasha sich versieht, ist sie bereits auf dem Weg zur Gray Wolf Academy, wo nicht nur ihr gesamtes Leben, sondern auch alles, was sie zu wissen glaubte, auf den Kopf gestellt wird.

"Stealing Infinity" von Alyson Noël hat in meinen Augen leider nicht gehalten, was der Klappentext, die Werbung und selbst eine Leseprobe versprochen hatten. Wer sich hauptsächlich von den intensiv beworbenen Dark-Academia-Vibes angezogen fühlt, sollte die Finger von diesem Buch lassen, denn davon war im Lauf der Handlung überhaupt nichts zu spüren. Auch der Protagonistin konnte ich emotional kaum nahe kommen, dabei war sie die einzige Person, die ich beim Lesen dauerhaft begleitet habe. Alle anderen Figuren wirkten auf mich wie unbedeutende Statisten, die immer nur kurz in Erscheinung traten und es kam mir vor, als ob ich über jeden nicht ein Fitzelchen mehr erfahren durfte, als für den Fortgang der Geschichte unbedingt notwendig war.

Dabei hatte der Plot durchaus Potential und der Schreibstil gehört zu den Dingen, die ich in diesem Roman als positiv empfunden habe - leider genügt das in meinen Augen nicht, um die dramaturgischen Schwächen auszugleichen. Die handelnden Personen und auch der Hintergrund hätten für meinen Geschmack gern etwas umfassender beschrieben sein dürfen, außerdem hatte ich besonders in der ersten Hälfte den Eindruck, immer nur einzelne Szenenausschnitte hin geworfen zu bekommen, zwar durchaus in chronologisch geordneter Reihenfolge, aber ohne irgendwelche überleitende Elemente dazwischen.

In der zweiten Buchhälfte nahm die Spannung dann etwas mehr an Fahrt auf und ich habe das Leseerlebnis weniger zähe empfunden. Natürlich gab es am Ende immer noch Unmengen offener Fragen, schließlich sollen wir Leser ja animiert werden, auch den Folgeband zu kaufen. Ein wenig ärgere ich mich über meine Neugier, die wohl dafür sorgen wird, dass ich die Fortsetzung tatsächlich lesen werde, auch wenn ich von dem ersten Teil nicht wirklich begeistert war - zum Schluss gab es allerdings noch eine Figur, über die ich gern noch mehr erfahren möchte und ich trage mich immer noch in der Hoffnung, im zweiten Band ein paar der ersehnten Antworten zu finden, obwohl ich mich schwer getan habe, emotional in die Geschichte einzutauchen.

Selbst der Strang um die Liebeshandlung vermochte mich nicht zu fesseln, auch hier waren die Gefühle zwar in ein paar knappen Worten beschrieben, doch ich konnte nicht recht nachvollziehen, woher sie so plötzlich gekommen sind. Auch die Diskrepanz zwischen Natashas viel gepriesener Klugheit und ihrem tatsächlichen Verhalten hat mich beim Lesen deutlich gestört, im Prinzip nimmt sie alles, was ihr gesagt wird hin, ohne wenigstens ab und zu mal auf einer Antwort zu bestehen. Selbst nach einem traumatischen Erlebnis, lässt sie sich mit der Aussage beschwichtigen, dass sie selbst entscheiden müsse, ob sie Hilfe in Anspruch nehmen und dadurch schwach wirken, oder taff sein und die Erinnerung unter den Teppich kehren möchte. Die Botschaft die hier vermittelt wird, finde ich mehr als bedenklich, deshalb kann ich für dieses Buch keine Leseempfehlung aussprechen.

Fazit: Nach dem beworbenen Dark-Academia-Feeling sucht man in diesem Buch vergebens, einzelne Szenen werden nahezu übergangslos aneinander gereiht, so konnte ich emotional kaum in die Geschichte eintauchen, leider wurde hier viel Potential verschenkt.