Abgründiger erster Fall für eine besondere Ermittlerin

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Zum Inhalt: Die junge Smilla und ihr Freund Malik Mansur, genannt MM, planen ein besonderes Abenteuer, bevor sie für ihr Studium nach Paris zurückkehren wird. Die beiden interessieren sich für Urban Exploration und lassen sich so von der Aussicht auf einen Höhlenregen, bei dem sich Feuchtigkeit unterirdisch in derart hohem Maße sammelt, dass diese wie Regentropfen nach oben steigt, in einen lange vergessenen Bunker locken. Denn dieser stellt ein extrem seltenes Phänomen dar. Doch in der alten Bunkeranlage wartet nicht nur der erhoffte Höhlenregen auf sie, sondern auch das Grauen.

Zur Charakterisierung von Leo Asker als ungewöhnlicher Heldin und Hauptfigur

“Stille Falle” ist der erste Fall für Kriminalinspektorin Leonore Asker, die Gruppenleiterin in der Abteilung für Kapitaldelikte ist. Als solche übernimmt sie die Ermittlung im Fall des Verschwindens von Smilla und Malik, bis ihr diese durch eine Intrige ihres ehemaligen Vorgesetzten und ihrer Mutter aus der Hand gerissen wird, als sie in die Abteilung für hoffnungslose Fälle und verlorene Seelen zwangsversetzt wird. Deren Arbeitsräume sind in einem unteren Stockwerk gelegen, von dessen Existenz Asker zuvor nicht einmal etwas geahnt hat. In diesem Kriminalroman, der kunstfertig aus unterschiedlichen Perspektiven auf mehr als einer Zeitebene erzählt wird, die sowohl in der Gegenwart als auch der Vergangenheit angesiedelt sind, ist Hauptfigur Leo das Highlight. Ihr Äußeres besticht durch ihre zweifarbigen Augen, mit deren ungewohnten Blick sie jeden Kontrahenten niederstarren kann. Geprägt wurde sie jedoch durch ihre besondere Jugend, in der ihr in hartem Training eine Vielzahl einzigartiger Fähigkeiten angeeignet wurden.

Zur Bandbreite der Nebenfiguren und deren Gewichtung im Roman

Im Vergleich zu Asker fallen die anderen wesentlichen Figuren dieses Kriminalromans deutlich blasser aus, obgleich es Anders de la Motte gelingt, auch deren Gedankengänge glaubwürdig zu vermitteln und damit deren Handlungen nachvollziehbar werden zu lassen. So hätte ich mir gewünscht, dass der Autor sich mehr auf Leo konzentriert hätte und damit die in “Stille Falle” erzählte Geschichte primär aus ihrer Perspektive wiedergegeben hätte. Statt etwa Askers Jugendfreund und Urban Exploration Experte Martin Hill derart viel Raum zu geben, hätten zusätzliche Sichtweisen von Nebenfiguren eingebunden werden können. Dafür hätten sich beispielsweise die Mitglieder von Askers neuem Team in der Abteilung für hoffnungslose Fälle oder auch sein ehemaliger Leiter, dessen Stelle von Leo übernommen worden ist, angeboten. Denn De la Motte besitzt ein Talent, wenn es um die Charakterisierung von schrägen oder zumindest speziell zu nennenden Figuren geht, die er in seiner aufmerksamen Beschreibung nie zur Karikatur verkommen lässt. Das hat der Autor etwa bereits in seiner Österlen-Reihe, in der Peter Vinston im ländlichen Schweden Morde aufklärt, unter Beweis gestellt. Erstaunlicherweise kommt dies jedoch in der düster gehaltenen “Stillen Falle” besser zur Geltung als in der genannten Cozy Crime-Reihe.

Ungewöhnliche Themen von Urban Exploration bis hin zu einem Miniatur Wunderland

Die Abgründe, die sich in diesem Kriminalroman auftun, liegen in der Schilderung von Askers traumatischer Kindheit und den Kapiteln, die die Sichtweise des Täters, der sich selbst “Der Troll” nennt, wiedergeben und die seine Entwicklung beginnend in seiner Kindheit verfolgen, begründet. Darüber hinaus ist die Gegenwart von der fieberhaften Suche nach der aus wohlhabenden Verhältnissen stammenden Smilla geprägt. Diese reichert De la Motte in passender Weise um ungewöhnliche Themen an. Dabei bildet neben der Modelleisenbahn Landschaft, die vom Verein in jahrzehntelanger Arbeit gebaut wurde und damit beeindruckende Maße abnimmt, die Erforschung von Lost Places einen thematischen Schwerpunkt. Doch sogar da gelingt es dem Autor, dieser märchenhaften Heile-Welt-Szenerie, die an das real existierende Miniatur Wunderland in Hamburg erinnert, einen unheimlichen Touch zu geben.

Mein Fazit

Dieser Kriminalroman, der es auf mehr als fünfhundert Seiten bringt, hatte zwar keine Längen für mich. Weil teilweise durch die Beschreibung unterschiedlicher Blickwinkel oder auch der Schilderung von Vergangenheit und Gegenwart Punkte doppelt wiedergegeben wurden, wie etwa die Enthüllung einer von Askers besonderen Fähigkeiten, die sie durch ihr hartes, ungewöhnliches Training entwickelt hat, hat das nur beim erstmaligen Erzählen für einen Überraschungsmoment bei mir gesorgt, der beim zweiten Mal nicht mehr vorhanden gewesen ist. Da hätte es meiner Ansicht nach ausgereicht dies nur einmalig zu beschreiben, um stattdessen zum Schluss hin zumindest ein längeres Kapitel aus Sicht eines unerwarteten Täters einzuschieben, das in der Gegenwart oder jüngeren Vergangenheit angesiedelt ist, um dessen Entscheidungen im Speziellen und Verhalten im Allgemeinen nachvollziehbarer werden zu lassen.