Noch nicht genug von Fritz Schaefer!

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riraraffi Avatar

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Eine nüchterne Aufzählung der im Buch dargestellten Inhalte wäre deprimierend: eine Schwester im Rollstuhl und damit im Zentrum der Aufmerksamkeit, Großeltern, deren Beziehung man heute vielleicht als toxisch bezeichnen würde, unerwiderte Liebe, Verlegenheit beim Thema Sex und sogar das Fließen von Blut. Gott sei Dank erzählt Fritz Schaefer seine Geschichte selber, bevor jemand andere auf die Idee kam eine dramatische Biografie über seine Entwicklung zu machen, die tatsächlich sehr beachtlich ist. Der Radio-Moderator lässt seine Kindheit und Jugend mit seinem Wissen von heute auf eine geistreiche, humorvolle und treffende Weise Revue passieren. Die Schwierigkeit, Erinnerungen aufzuschreiben ohne sie zu verschönern meistert er indem er Zweifel an seiner eigenen Gedächtnisleistung direkt äußert, was ihn als Erzähler sehr stark und zusätzlich sympathisch macht. Tatsächlich schafft er es jedoch, die Perspektiven seiner früheren Ichs authentisch darzustellen und man sieht die Welt teilweise durch die Augen eines jüngeren Fritz Schaefers, Nostalgie ist für gleichaltrige vorprogrammiert.
Wer gerne Oscar Wilde zitiert, um über das Schöne zu reden (“Wer in schönen Dingen Häßliches entdeckt, ist verdorben, ohne charmant zu sein. Das ist ein Fehler.”), sollte sich mit der Lehre auseinandersetzen, die Fritz Schaefer aus seiner Erziehung zieht: “Meine Mutter jedenfalls, fiel mir auf, tat gut daran immer für bittersüße, nie gänzlich perfekte Momente in ihrem Leben zu sorgen. [...] Schön wurde nur, was in direkter Nähe zum Schrecklichen lag. Nur aus den richtigen Kontrastverhältnis ergibt sich das individuelle Gleichgewicht.” Wie seine Mutter dieses Verhältnis bei Fritz ausgeglichen hielt und wie er seine Kindheit und Jugend mit allem drum und dran sonst so meisterte, sollte man unbedingt selbst lesen!
Noch lange nicht genug von Fritz Schaefer, aber genug von mir.