Goldene Stunde über dem Atlantik

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
buchstabenpoesie Avatar

Von

Das Cover von „Strandgut“ hat mich sofort innehalten lassen. Es strahlt eine raue Melancholie aus, die perfekt zu dem passt, was einen im Inneren erwartet: Weite, Verlust, Sehnsucht. Es hat etwas Ursprüngliches und gleichzeitig Poetisches.

Was mich dann direkt abgeholt hat, war der Schreibstil. Benjamin Myers schreibt mit einer Feinfühligkeit und einer Poesie, die mich bewegt. Die Sprache ist klar und dabei dicht, fast musikalisch. Ich mag Bücher, die nicht auf Action setzen, sondern auf Atmosphäre und das gelingt hier meisterhaft.

Die Leseprobe entfaltet keine plötzliche Spannung, sondern eher eine stille Intensität. Sie erzählt von Bucky, einem gealterten Soul-Sänger mit schmerzenden Hüften, der sich auf eine letzte große Reise nach England begibt. Und schon nach wenigen Seiten fühlt sich Bucky so real an, dass ich ihn gern auf einen Tee eingeladen hätte. Er ist rau, witzig, weise und zerbrechlich. Man spürt seinen Schmerz, körperlich und seelisch. Die Szenen in der Apotheke, seine Gedanken über das Leben, der Flug – das ist alles so lebensnah erzählt, dass ich das Gefühl hatte, neben ihm zu sitzen.
Auch die Nebenfiguren, wie der Apotheker Raymond oder die Frau, die ihn in England empfängt, wirken bereits jetzt vielschichtig, ohne klischeehaft zu sein. Ich liebe es, wenn Autor:innen ihre Figuren nicht nur erzählen, sondern sie mit Leben füllen.

Was ich von der Geschichte erwarte? Eine emotionale Reise über den Atlantik hinweg – hin zu Erinnerungen, Versäumnissen, vielleicht einem Neuanfang. Oder wenigstens einem würdevollen Abschied. Ich erwarte keine großen Wendungen, sondern große Gefühle. Und das auf eine unaufdringliche, sehr literarische Weise.

Ich möchte dieses Buch unbedingt weiterlesen, weil es mich daran erinnert, warum ich lese: Um zu fühlen, um zu verstehen, um mich an fremde Orte und in andere Leben zu denken. Und um Figuren wie Bucky zu begegnen – die mir etwas sagen über das Leben, das Altwerden, das Weitermachen. Auch wenn alles wehtut.

Ein stilles, starkes Buch. Und ich bin mehr als bereit, mich von der Flut seiner Worte mitreißen zu lassen.