Die zweite Chance

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bluesjj Avatar

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Mein vierter Roman von Benjamin Myers und ich würde ihn im Vergleich zu den bisher gelesenen so im oberen Mittelfeld einordnen. Auch in „Strandgut“ taucht Myers wieder tief in das Seelenleben seiner Protagonisten ein, lässt uns teilhaben an dem Schwebezustand zwischen Scheitern und Neuanfang und beschränkt sich fast nur auf die leisen, auf den ersten Blick unscheinbaren Momente, die genauer betrachtet alles andere als bedeutungslos sind. Sie sind voll von (Selbst-)zweifeln, Schmerz, Trauer, Zukunftsangst, Resignation und Hilfslosigkeit. Und doch sind Myers Romane alles andere als deprimierend. Ganz im Gegenteil, diese tiefen Einblicke in die Gefühlswelt der Protagonisten berühren. Die zarten Beziehungen, die er zwischen den Charakteren entstehen lässt, stimmen hoffnungsvoll. Und die Geschichten, die er erzählt, vergisst man nicht.
Das trifft auch alles auf dieses Buch zu. Allerdings war es mir stellenweise dann doch zu langatmig. Das lag vermutlich daran, dass sich viele Szenen thematisch sehr ähnelten: Schmerzen durch diverse Krankheiten und körperliche Beschwerden, Begleiterscheinungen eines kalten Entzugs von Schmerztabletten, diverse Überlegungen, wie man Drogen beschaffen kann. Hinzu kommt, dass der Protagonist durch seine schlechte körperliche Verfassung viel älter als Anfang 70 scheint. Das war irgendwie irritierend, da es gar nichts mit den Menschen dieses Alters zu tun hat, die ich kenne. Nicht gefallen hat mir auch, dass die Themen Drogen und Abhängigkeit meiner Meinung nach an einigen Stellen verharmlost und als schicklich beschrieben werden.
Insgesamt also 4 von 5 Sternen.