Myers und ich werden wohl keine Freund*innen mehr.
Mit seinen 70 Jahren wartet Earlon „Bucky“ Bronco nur noch aufs Ende. Der Tod seiner Frau hat sein Leben aus den Fugen geworfen, plötzlich ist da niemand mehr, der sich um ihn sorgt. In Chicago führt der ehemalige Soulsänger ein zurückgezogenes, einsames Leben. Außer seinen Nachschub an Schmerzmitteln in der Apotheke abzuholen, nach denen er inzwischen hochgradig süchtig ist, passiert nichts, das erwähnenswert wäre. Er hat kein Geld, er hat keine Hoffnung, nur Trauer und Schmerz. Doch dann erreicht ihn, der noch nie das Meer gesehen hat, eine unerwartete Einladung aus England: Man bittet ihn, auf dem Soul-Festival in Scarborough aufzutreten, Kost und Logis werden übernommen. Er, der er nichts mehr zu verlieren hat, sagt zu. Und stellt nach seiner Ankunft erstaunt fest, dass er – obwohl seine wenigen Songs in den USA längst vergessen sind – in England eine Art Legende ist. Vor Ort kümmert sich Dinah um ihn, eine traurig-kluge Mittfünfzigerin, deren Leben weit weniger spektakulär verlaufen ist, als erhofft. Nach ihrer Arbeit im Supermarkt kehrt sie zurück ins depremierende Zuhause und zu ihrem alkoholkranken Ehemann und ihrem nur auf dem Papier erwachsenen Sohn, der das Hotel Mama undankbar und in vollen Zügen auskostet. Für Dinah ist Bucky ein Held, seine Musik der Trost im Alltagstrott. Überschattet wird Buckys Zeit in England jedoch von seinen zunehmenden Entzugserscheinungen, hat er doch seine Medikamente im Flugzeug vergessen.
»Welcher Süchtige vergisst seine Drogen im Flugzeug?« war mein erster Gedanke und irgendwie auch immer noch der Gedanke, der mir nach dem Lesen am meisten in Erinnerung bleibt. Generell habe ich mich schwergetan mit »Strandgut«. Vielleicht, weil ich einfach nicht die Zielgruppe bin. Vielleicht, weil ich einfach keine Lust mehr habe auf Geschichten wie diese. Denn ja, es ließ sich schön lesen, Myers Schreibstil war gewohnt melancholisch-leise und wer das mag, der wird auch »Strandgut« gerne lesen – aber: »Strandgut« war leider auch ein ganz wunderbar treffendes Beispiel für Männer, die auf dem Rücken von Frauen und deren Care-Arbeit gerettet und enabled werden. Denn menschlich und auf sich allein gestellt war Bucky eine Katastrophe. Bis zu ihrem Tod kümmerte sich noch seine Frau um ihn, nach ihrem Tod ging es für ihn bergab. Sich um sich selbst kümmern? Weit gefehlt. Doch dann kommt Dinah ins Spiel, eine Frau, die den lieben langen Tag nichts anderes macht, als sich um ihren Mann und ihren Sohn zu kümmern – die beide mit Gleichgültigkeit, Undankbar und Zorn reagieren. Man könnte jetzt anführen, dass sie im Verlauf des Romans eine Charakterentwicklung durchmacht (im Gegensatz zu Buckey) und sich von ihrer toxischen Familie lossagt. Allerdings – und das ist das vielleicht Traurigste am Roman – tut sie das nur, um ihre Energie in Buckey zu investieren. Sie ändert nur das Ziel ihrer Fürsorge und stellt sich noch immer nicht selbst in den Mittelpunkt. Buckey – so viel sei gesagt, ohne der Geschichte zu viel vorwegzunehmen – blüht durch Dinahs Zuwendung auf. Sein Leben wird sich durch den Aufenthalt in England drastisch verändern – wegen Dinah, nicht seinetwegen. Denn Buckey ist am Ende so hilflos wie zu Beginn des Buchs. Nur hat er jetzt wieder eine Frau, die sein Leben für ihn managed. Eine Handlung wie diese gibt mir leider gar nichts mehr und ich denke, dass »Strandgut« auch mein letzter Versuch war, mich mit Myers Texten anzufreunden. Ich glaube, dieses Buch findet seine begeisterte Leser:innenschaft. Nur ich gehöre eben nicht dazu.
»Welcher Süchtige vergisst seine Drogen im Flugzeug?« war mein erster Gedanke und irgendwie auch immer noch der Gedanke, der mir nach dem Lesen am meisten in Erinnerung bleibt. Generell habe ich mich schwergetan mit »Strandgut«. Vielleicht, weil ich einfach nicht die Zielgruppe bin. Vielleicht, weil ich einfach keine Lust mehr habe auf Geschichten wie diese. Denn ja, es ließ sich schön lesen, Myers Schreibstil war gewohnt melancholisch-leise und wer das mag, der wird auch »Strandgut« gerne lesen – aber: »Strandgut« war leider auch ein ganz wunderbar treffendes Beispiel für Männer, die auf dem Rücken von Frauen und deren Care-Arbeit gerettet und enabled werden. Denn menschlich und auf sich allein gestellt war Bucky eine Katastrophe. Bis zu ihrem Tod kümmerte sich noch seine Frau um ihn, nach ihrem Tod ging es für ihn bergab. Sich um sich selbst kümmern? Weit gefehlt. Doch dann kommt Dinah ins Spiel, eine Frau, die den lieben langen Tag nichts anderes macht, als sich um ihren Mann und ihren Sohn zu kümmern – die beide mit Gleichgültigkeit, Undankbar und Zorn reagieren. Man könnte jetzt anführen, dass sie im Verlauf des Romans eine Charakterentwicklung durchmacht (im Gegensatz zu Buckey) und sich von ihrer toxischen Familie lossagt. Allerdings – und das ist das vielleicht Traurigste am Roman – tut sie das nur, um ihre Energie in Buckey zu investieren. Sie ändert nur das Ziel ihrer Fürsorge und stellt sich noch immer nicht selbst in den Mittelpunkt. Buckey – so viel sei gesagt, ohne der Geschichte zu viel vorwegzunehmen – blüht durch Dinahs Zuwendung auf. Sein Leben wird sich durch den Aufenthalt in England drastisch verändern – wegen Dinah, nicht seinetwegen. Denn Buckey ist am Ende so hilflos wie zu Beginn des Buchs. Nur hat er jetzt wieder eine Frau, die sein Leben für ihn managed. Eine Handlung wie diese gibt mir leider gar nichts mehr und ich denke, dass »Strandgut« auch mein letzter Versuch war, mich mit Myers Texten anzufreunden. Ich glaube, dieses Buch findet seine begeisterte Leser:innenschaft. Nur ich gehöre eben nicht dazu.