Familiendrama an der Elbe

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In "Stromlinien" begleitet man die 17-jährigen Zwillingsschwestern Enna und Jale, die bei ihrer reservierten Großmutter in der norddeutschen Elbmarsch aufwachsen. Seit ihrer Kindheit warten sie auf die Entlassung ihrer Mutter Alea, die Jahrzehnte im Gefängnis saß. Doch am Tag ihrer Freilassung verschwinden sowohl Alea als auch Jale. Enna stößt bei ihrer Suche auf Geheimnisse, Lügen und tragischen Entscheidungen.

Die Geschichte hat mir gut gefallen. Sie ist spannend, atmosphärisch dicht und verbindet Familiendrama, Thriller-Elemente und Entwicklungsroman zu einer stimmigen Mischung.

Die Handlung wird auf mehreren Zeitebenen von 1923 bis in die Gegenwart erzählt. Ich persönlich hatte damit keine Probleme. Die Zeitsprünge lockern den Lesefluss sogar auf, wobei man allerdings gedanklich bei der Sache bleiben sollte, da es sonst verwirrend werden kann. Der Schreibstil ist insgesamt flüssig und leicht zu lesen. Manchmal schleicht sich jedoch eine gewisse Überambition ein, wodurch der Text wirkt, als wolle er unbedingt poetisch sein, wobei etwas Schlichteres gereicht hätte.

Die Figuren sind grundsätzlich interessant angelegt. Gerade die starken Frauenfiguren über mehrere Generationen haben mir gefallen. Trotzdem hätte ich mir bei manchen Charakteren etwas mehr Tiefe und weniger impulsives Handeln gewünscht. Einige Entscheidungen wirkten eher konstruiert als nachvollziehbar.

Ein Kritikpunkt ist für mich die Länge des Romans. Mit knapp 500 Seiten ist er etwas zu lang geraten. Einige Passagen ziehen sich, da hätte eine Kürzung der Handlung sicher nicht geschadet.

Das Cover mit den erhabenen Wellen auf dem Schutzumschlag ist ein Hingucker und fasst sich auch schön an. Inhaltlich fügt sich das Buch nahtlos in den aktuellen Trend der Romane über große Familiengeheimnisse ein, in denen die Vergangenheit immer wieder in die Gegenwart reicht.

Insgesamt ist "Stromlinien" ein atmosphärischer, stellenweise etwas zu ausufernder Roman über Schuld, Rache, Vergebung und die Frage, inwieweit wir für die Entscheidungen unserer Vorfahren verantwortlich sind.