Spannendes Familiendrama

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la calavera catrina Avatar

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Die siebzehnjährigen Elbmädchen Jale und Enna fühlen sich in ihrem Boot auf den Flüssen und am einsamen Ufer der schönen Landschaft der Elbmarsch und des Alten Landes am wohlsten. Sie wuchsen bei ihrer Grußmutter auf, die gefühlskalt und wortkarg scheint, während sie ihre Mutter im Gefängnis besuchten, ohne zu wissen, wie es dazu kam. Als am Tag der Entlassung, auf den die Schwestern so hingefiedert haben, die Mutter nicht auftaucht, Jale verschwindet und ein Unglück auf der Elbe mit Todesfolge geschieht, steht für Enna die Welt Kopf. Wo ist ihre Schwester? Warum hat ihre Mutter gelogen? Warum wurde sie vor achtunddreißig Jahren eingesperrt? Wer ist der Tote? Wie hängt das alles zusammen? Dieser Roman beginnt mit einer Vielzahl von Fragen und erzählt von einer Tragödie mit realen Bezügen, die im Nachwort erläutert werden, deren Familiengeheimnisse schwer wiegen und von 1923 bis 2023 ihre Spuren hinterlassen. Bereits die erste Hälfte des Romans gibt einige Antworten und trotzdem ist die Dichte der ungelösten Rätsel enorm.

Enna erzählt aus der Ich-Perspektive. So ist die Verzweiflung sehr greifbar, mit der sie ihre vermisste Zwillingsschwester sucht. Sie vertraut sich dem gleichaltrigen Luca an, der in den sozialen Medien seine Community mobilisiert und sich als Freund erweist. „Es war besser, hier mit Luca zu sitzen, als allein irgendwo da draußen zu sein.“
Weitere Perspektivenwechsel füllen Hintergründe auf, wie über die Mutter Alea im Gefängnis und ihre Vergangenheit, sowie Jale vor ihrem Verschwinden. Ein Rückblick erzählt von Gunnar 1923, der verhaftet wird, nachdem er Äpfel gestohlen hat. So lässt sich die Spur verfolgen, die jedoch auch falsche Fährten enthält. Polizeiliche Ermittlungen spielen nur nebensächlich eine Rolle und trotzdem ist es spannend zu lesen, wie sich nach und nach die Puzzleteile zusammenfügen und bleibt kontinuierlich wendungsreich und unvorhersehbar. Dabei ist es so bildhaft und nah an den Figuren geschrieben, dass es mir nahe ging, mich gepackt hat und ich gleichzeitig von der Atmosphäre verschlungen wurde. Die Geheimnisse werden wohl dosiert gelüftet und es ist eine dramatische, traurige, erschütternde Geschichte, voller Momente der Hoffnung und des Zusammenhalts, die mich nicht losgelassen hat. Ein literarisches Vergnügen, das ich sehr empfehlen kann.