Es war doch nicht böse gemeint

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suse9 Avatar

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Aus den Perspektiven Julias, ihres Fast-Ex-Mannes und ihrer Mutter wird die Handlung erzählt. Ein Mädchen wird am Wegrand gefunden kann aber aufgrund ihrer Verletzungen nicht über das Erlebte sprechen. Zur gleichen Zeit verstummt Mary, Julias Mutter. Sie zieht sich in ihr Inneres zurück und schützt sich mit Stummheit, um Geschehenes zu verdrängen. Murray steht Julia zur Seite und könnte eine große Hilfe sein, wenn sein schwerster Kampf nicht der gegen den Alkohol wäre.

Den Titel des Buches finde ich gut gewählt. Die Protagonisten können oder wollen über vieles nicht reden, was sie bewegt und bedrückt. Unausgesprochene Gefühle, verdrängte Erlebnisse führen zu Missverständnis und Unglück. Auch ich weiß noch nicht so richtig, wie ich Worte für dieses Buch finden kann. "Stumm" ist einerseits spannend und gut geschrieben - andererseits langatmig mit ständigen Wiederholungen. Die Autorin lässt die Personen zum Teil äußerst dumm handeln. Da ist auf der einen Seite Julia, die viel Liebe in sich hat - für ihre Familie, die Pflege- und Schulkinder sowie für David. Dabei verschließt sie ständig die Augen vor offensichtlichen Fehlern und Schwächen der Anderen. Obwohl bekanntlich Liebe blind macht, kommt mir dieses Gutreden einer Situation sehr unglaubwürdig vor. Auf der anderen Seite steht Murray, der zwar die für mich sympathischste Person ist (die Kinder ausgenommen) aber sein und das Glück seiner Familie durch den Alkohol so grob aufs Spiel setzt, dass es fahrlässig von Julia ist, ihm immer wieder zu verzeihen.

Obwohl das Buch seine Längen hat, gibt es auch spannende Passagen, in denen man gefesselt vom Schreibstil und von der Handlung ist. Diese Stellen scheinen Sam Hayes Spaß gemacht zu haben, wobei sie dann wieder in Wiederholungen verfällt, um noch ein paar Seiten mehr zu füllen. Nicht nur einmal hatte ich das Gefühl, alles doppelt und dreifach zu lesen.

Auch mit der abschließenden Entschuldigung des Täters, der schließlich nur seine Gefühle nicht klar benennen konnte, was in einer Kurzschlusshandlung gipfelte, der aber anonsten ein ganz Lieber ist, kann ich mich nicht anfreunden. Dies erweckt bei mir den Eindruck, dass die Autorin zwar die Probleme der Protagonisten benennt, aber ihnen nicht zu nahe treten will und somit schnell eine plausible Erklärung für ihr Handeln liefert. Diese Inkonsequenz nehme ich Sam Hayes übel.

Auch wenn ich den Roman "Stumm" nicht komplett ablehne, kann ich doch keine Empfehlung aussprechen.