Kleinanzeige als Rettung

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mammutkeks Avatar

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1938 – ziemlich bald nach dem „Anschluss“ Österreichs an das „Dritte Reich“ erscheinen in britischen Zeitungen eigenartige Kleinanzeigen – angepriesen werden Kinder, jüdische Kinder, deren Eltern in der Kleinanzeige und der damit erhofften Vermittlung in britische Familien eine letzte Hoffnung sehen, ihre Töchter und Söhne zu retten.
Auch für den Vater des Autors von „Suche liebevollen Menschen“, den damals elfjährigen Robert Borger, wird eine solche Anzeige aufgegeben. „Seek a kind person who will educate my intelligent Boy, aged 11, Viennese of good family, Borger, 5/12 Hintzerstrasse, Vienna 3.“ In der gleichen Ausgabe des Manchester Guardian findet Julian Borger später fünf weitere ähnliche Anzeigen.
Für Robert werden liebevolle Menschen gefunden – und doch ist diese Rettung des Jungen in der Familie kein Thema.
Julian Borger findet die Anzeige erste viele Jahre nach dem Tod des Vaters – einem Selbstmord, den die Pflegemutter als späten Sieg der Nazis über Robert interpretiert.

Borgers Suche nach den Schicksalen hinter den Kleinanzeigen führt ihn und die Leser*innen nicht nur nach Großbritannien, sondern auch nach Shanghai, nach Holland, in den Widerstand und immer wieder auf die Spurensuche nach seinem Vater.

Viele der Anzeigen waren erfolgreich – ich muss sagen, dass dieser Fakt mich sehr überrascht hat. Aber noch vor den (im Buch leider nicht weiter erklärten) Kindertransporten gab es offenbar eine große Hilfsbereitschaft bei britischen Familien.

Durch die Geschichten über „mein[en] Vater, sieben Kinder und ihre Flucht vor dem Holocaust“ habe ich viel Neues erfahren. Die Beschreibung der häufig wenig erfolgreichen Spurensuche hat mich fasziniert. Weniger gut war für mich allerdings der Wechsel der Geschichten – oftmals werden die porträtierten Personen nur mit Vornamen genannt – und wenn dann auch noch Spitznamen dazu kommen, wird es ab und an sehr unübersichtlich.

Sprachlich ist „Suche liebevollen Menschen“ gelungen – die Schicksale sind berührend dargestellt, aber nicht kitschig oder heroisierend. Den Zusammenhang mit den Bildern am Anfang der Kapitel konnte ich allerdings nicht herstellen – ein kleines Manko, denn im Fazit sehe ich dieses Buch genau wie der Klappentext:

„Es sind berührende Geschichten voller Hoffnung – und über eine zutiefst menschliche Gabe: die Hilfsbereitschaft von Fremden.“

Gerade diese Hilfsbereitschaft sollte uns allen ein Vorbild sein!