Eine sympathische Schöffin ermittelt auf ihre Weise

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Als die Schöffin Roth Holländer bei Gericht einem Ehedrama zugeteilt wird, scheint der Fall klar zu sein: der Rentner Jürgen Dromboschke soll seine schwer kranke Ehefrau vergiftet haben, die Motive hierfür liegen jedoch im Dunkeln, wo die beiden doch eine scheinbar glückliche Ehe geführt haben. Doch Ruth vermutet mehr dahinter, zu glatt erscheint ihr der Fall, zu unscheinbar der Angeklagte. Als der Fall wegen eines voreingenommenen Schöffen neu aufgerollt werden soll, beginnt Ruth auf eigene Faust Nachforschungen anzustellen…

Mit „Sündenbock“ steht nach „Unschuldslamm“ der zweite Schöffenfall aus der Federn Judith Arendts in den Regalen der Buchhändler.
Ein Krimi mit einer Schöffin als Protagonistin? – Das klingt interessant und mal nach etwas anderem, war mein erster Gedanke. Als Krimiliebhaber war meine Neugier geweckt und ich wollte mir gerne einmal diese neue Sichtweise näher betrachten.
Judith Arendt versteht es perfekt, auch neue Leser – wie mich – mit den Protagonisten bekannt zu machen. Nicht nur die Schöffin selbst, sondern auch ihr Umfeld wird umfassend dargestellt, ohne, dass die privaten Angelegenheiten zu viel Raum einnehmen.
Ruth Holländer, alleinerziehende Mutter zweier (fast) erwachsener Kinder, hat in ihrem Haupterwerb ein kleines Bistro, das sie mit ihrer Angestellten und Freundin Jamila liebevoll führt.
Wie im wahren Leben kommt es zu kleinen und großen „Katastrophen“, die sie meistern muss, sei es der neue Freund ihrer 17jährigen Tochter Annika, der ihr etwas suspekt erscheint, oder die Tatsache, dass ihr Ältester, Lukas, die Uni schmeißt, oder aber die Probleme, die sie selbst mit ihrem Lover Hannes teilt, dem sein eigenes Leben mit all seinen Tücken über den Kopf zu wachsen scheint.
All das verleiht der Protagonistin eine angenehme Authentizität, die sich wie ein roter Faden durch das Buch zieht.

Der Kriminalfall selbst erschien mir im ersten Drittel fast ein wenig blass, auch wenn mir natürlich im Vorfeld schon klar war, dass die Spannung hier anders erzeugt werden muss als bei einem „herkömmlichen“ Format.
Als angenehm empfinde ich die unterschiedlichen Sichtweisen, die eingeflochtenen Zeitungsartikel und Berichte des Prozesses. Die Kapitel selbst sind eher knapp gehalten, wodurch der Leser stark versucht ist, „nur noch schnell ein kleines bisschen“ weiter zu lesen.
So rutscht man geradezu durch die gut 300 Seiten, die sich nach dem ersten Drittel doch unmerklich mit Spannung füllten, so dass ich schnell erfahren wollte, wie sich die einzelnen Strippen miteinander verweben lassen. Dabei kam es zu der einen oder anderen Überraschung, manch einen Hintergrund hat sich der geübte Krimileser denken können, andere waren wirklich überraschend, so dass ich das Buch doch kaum noch aus den Händen legen wollte.

Insgesamt hat mich der „Sündenbock“ sehr gut unterhalten, auch wenn ich mit den ersten Seiten zunächst noch etwas unzufrieden war. Doch wurde meine Leselust so weit befriedigt, dass ich mich nun nach dem Vorgänger umsehen werde und Judith Arendt auf jeden Fall im Auge behalte.