Hier kocht die Schöffin

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„Sündenbock“ ist der zweite Fall, in den die Schöffin Ruth Holländer ihre Nase tiefer hineinsteckt, als angeraten ist: der Rentner Jürgen Dombroschke steht vor Gericht, weil er seine an Parkinson erkrankte Frau vergiftet haben soll. Tagelang hat er mit der Leiche in der Wohnung weiter gelebt, bis der Geruch die Nachbarn auf den Plan rief.
Als der Prozess wegen eines Verfahrensfehlers neu begonnen werden muss und Ruth nicht mehr als Schöffin fungiert, beginnt sie ein bißchen herumzuschnüffeln: in Dombroschkes Laube in der Kleingartenanlage, wo das Gift gefunden wurde, bei seinem besten Freund Uwe – immer weiter führen sie ihre Ermittlungen. Außerdem fordern das Bistro, mit dem sie sich vor einiger Zeit selbstständig gemacht hat, ein studierender Sohn, eine Teenager-Tochter und ihr neuer Freund / Lover / Partner (so genau weiß sie es selbst nicht), der Staatsanwalt Hannes Eisenrauch, ihre Aufmerksamkeit und ihren Einsatz.
Judith Arendt baut ihren Roman geschickt auf: ein Kriminalfall, der sich als vielschichtiger entpuppt als es zunächst den Anschein hat; eine sympathische Ermittlerin und ihre Familie, an deren Entwicklung man regen Anteil nimmt; und die Lebens- und Ehegeschichte von Margit und Jürgen Dombroschke. Dafür lässt sie den Roman auf mehreren Zeitebenen spielen, die sie gekonnt gegeneinander versetzt; immer wieder enden einzelne Episoden mit einem regelrechten Cliffhanger. Auch das ein oder andere gesellschaftspolitische Thema findet seinen Platz, ohne dass dies aufgesetzt wirkt.
Dies alles lässt über kleinere Unstimmigkeiten im Handlungsablauf hinwegsehen: so gibt es am ersten Verhandlungstag kein Publikum, „nicht einmal die obligatorischen Rentner“ (S. 31), aber nur kurze Zeit später erntet der vorsitzende Richter Erheiterung im Publikum (S. 34).
Fazit: „Sündenbock“ ist ein spannender und gut lesbarer Krimi, der auf Knalleffekte und blutige Details verzichtet. Dafür punktet er mit interessanten Figuren und einer Ermittlerin, auf deren weitere Entwicklung man gespannt sein darf.