Über Verluste, Hoffnungen, Menschlichkeit und ein mutiges kleines Mädchen...

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melanie.e Avatar

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Wie fühlt es sich für ein weißes neunjähriges Mädchen an, in den 1970er Jahren in Südafrika aufzuwachsen, wo die Unterdrückung der dunkelhäutigen Bevölkerung durch die hellhäutige und damit einhergehend die Konflikte zwischen Schwarzen und Weißen bereits aus heutiger Sicht unfassbare Ausmaße angenommen haben?
Robin lebt mit ihren Eltern, ihrer Zwillingsschwester Cat und Mabel, der dunkelhäutigen Maid, in Johannesburg. Bisher hatte Robin lediglich eines über ihre priviligierte Stellung als Weiße mitbekommen: nur den weißen Menschen soll man trauen, vor den Schwarzen müsse man Angst haben. Mit Mable hingegen war das etwas anderes, denn die hatte Robin gern - auch wenn dies gleichzeitig bedeutete, dass es Mable als Schwarze nicht erlaubt war, im selben Haus zu schlafen, vom selben Geschirr zu essen oder zahlreiche andere Dinge zu tun, die man eben nur als Weißer machen darf. Für Robin stellte dies stets die normale alltägliche Realität das und bisher hatte sie auch nie hinterfragt, ob es denn legitim sei, wie die Weißen die Schwarzen behandelten. Bis zu dem Zeitpunkt, als die Eltern eines Tages von einer Party nicht mehr nach Hause zurückkehren, sondern stattdessen die Polizei vor der Türe steht, denn Unbekannte hatten Robins Eltern getötet, die Kehlen aufgeschnitten und Robin somit zum Waisenkind gemacht. Was Robin noch bleibt, ist lediglich Cat. Und Tante Edith, die aber scheinbar weder Zeit noch wirkliches Interesse daran hat, sich nun um ihre Nichte zu kümmern. Unerwartet und scheinbar wie aus dem Nichts tritt Beauty, die eigentlich vergeblich auf der Suche nach ihrer verschwundenen Tochter Nomsa ist, in Robins Leben und plötzlich ist nichts mehr, wie es zuvor war…

„Ich war verstummt. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, in einer Welt, in der Leute gehasst und angegriffen wurden, weil sie nicht die richtige Hautfarbe hatten, nicht die richtige Sprache sprachen, nicht den richtigen Gott anbeteten oder die richtigen Leute liebten“

Dass die Emotionen und Gedanken einer Neunjährigen so treffend beschrieben werden, ist mitunter sicherlich auch auf autobiographische Erlebnisse zurückzuführen, wie die Autorin auch im Nachwort erwähnt. Trotz dessen, dass die Figur der Robin bereits sehr reif und überaus intelligent gezeichnet ist, lesen sich einzelne Situationen doch immer wieder sehr authentisch aus dem Blickwinkel einer kindlichen Neunjährigen: Ein Kind, das nicht versteht, wo der Unterschied zwischen Schwarzen und Weißen denn überhaupt begründet sei, denn nichts Offensichtliches deutet darauf hin, dass nur irgendetwas sie von anderen Menschen - egal welcher Hautfarbe, Religion, Herkunft etc. - unterschied.
Besonders bemerkenswert ist außerdem die Figur der Zwillingsschwester Cat, welche die Autorin überaus geschickt bereits zu Beginn des Romans am Geschehen teilhaben lässt, während man als Leser jedoch erst ab dem Zeitpunkt des Todes der Eltern wesentliche Aspekte über die Funktion von Robins „Zwillingsschwester“ erfährt. (Tatsächlich musste ich ab diesem Zeitpunkt sogar das Buch für einen Augenblick beiseite legen, um das bereits Gelesene nochmals zu reflektieren und in meinem Kopf neu zu ordnen.)
Ein Roman über den Verlust geliebter Menschen, den Umgang mit der Trauer, Hoffnungen und die Menschlichkeit, die am Ende doch hoffentlich immer siegen wird.
Trotz der doch knapp 500 Seiten, habe ich den Roman binnen weniger Tage nahezu verschlungen. Definitiv eines dieser Exemplare, die man zuerst zu Ende lesen muss, um wieder einigermaßen ruhigen Schlaf zu finden!
Und irgendwie - so ganz ohne dies jetzt an bestimmten Momenten im Roman festmachen zu wollen- irgendwie lässt mich das Gefühl nicht los, dass das Ende der Geschichte bereits ganz heimlich auf eine Fortsetzung hindeutet.