Verlust, Suche, Mutterliebe – ein starker, feinfühliger Auftakt

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lukasp Avatar

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Schon die ersten Seiten von Sunbirds beeindrucken durch eine stille, fast meditative Intensität. Penelope Slocombe gelingt es, mit leisem Ton, aber großer emotionaler Wucht zu erzählen: von einer Mutter auf der verzweifelten Suche nach ihrem verschwundenen Sohn – irgendwo in Nordindien.

Die Leseprobe beginnt in einer Telefonzelle im Himalaya, in der Anne ihre eigene Stimme auf einem alten Anrufbeantworterband hört – ein poetischer Moment, der bereits die zentrale Stimmung des Romans aufgreift: Erinnerung, Verlust und die Sehnsucht nach Verbindung.

Slocombe schreibt eindrucksvoll atmosphärisch: der Geruch von Gewürzen, die stickige Hitze, die Einsamkeit in der Fremde – all das ist so präsent, dass man beim Lesen das Gefühl hat, mit Anne durch die überfüllten Straßen Indiens zu laufen. Gleichzeitig bleibt die Erzählung nah an der Figur, fast intim, und zeigt auf eindrückliche Weise, wie tief Trauer und Hoffnung ineinandergreifen können.

Auch die zweite Perspektive – die Journalistin Esther, die Jahre zuvor über Vermisstenfälle berichtet hat – fügt der Geschichte eine spannende, investigative Ebene hinzu. Die Frage nach dem Verbleib von Anne Carmichaels Sohn Torran verbindet beide Frauen. Und während Anne auf der Suche ist, sucht Esther nach der Wahrheit hinter der Geschichte, die sie selbst einst losgetreten hat.

Was den Roman bereits jetzt auszeichnet, ist seine komplexe emotionale Struktur: Mutterliebe, Schuld, kulturelle Differenz, spirituelle Suche – all das fließt subtil ineinander. Slocombe schafft es, aus einer sehr persönlichen Tragödie einen Roman mit großer erzählerischer Weite zu formen.

Bewertung: 5 von 5 Sternen.
Ein stiller, poetischer und bewegender Auftakt über Verlust, Erinnerung und die hartnäckige Hoffnung, dass selbst in der Fremde noch Antworten warten könnten.