Ein literarischer Flug in die Tiefen der Selbstfindung.

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fönbo Avatar

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Vor sieben Jahren verschwand Annes Sohn Torran spurlos in einem indischen Bergdorf. Seitdem hat Anne ihre Heimat, ihre Ehe hinter sich gelassen, um ihn zu finden. Ein Hinweis von ihrer Nichte Esther entfacht neue Hoffnung. Gemeinsam brechen die beiden Frauen zu einer beschwerlichen Reise in die entlegenen Himalaya-Regionen auf. Dabei finden sie nicht nur Spuren von Torran, sondern auch unbequeme Wahrheiten und die Chance auf einen Neuanfang.

Penelope Slocombe legt mit "Sunbirds" ein bemerkenswert Romandebüt vor, das auf den ersten Blick wie eine Vermisstengeschichte anmutet, sich dann jedoch als mental fein austarierter Familienroman entpuppt. Erzählt wird von der jahrelangen Suche einer Mutter nach ihrem Sohn, doch hinter der äußeren Geschichte entfaltet sich ein intensives Drama über Schuld, Identität, familiäre Risse und die existenzielle Sehnsucht nach Freiheit.

Die Autorin wählt eine multiperspektivische Struktur, die es ermöglicht, das Geschehen aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Siocombe arbeitet mit Rückblenden, verschränkt Gegenwart und Vergangenheit, sodass emotionale Brüche, unerfüllte Erwartungen und unausgesprochene Konflikte in ihrer ganzen Tiefe sichtbar werden und sich ihre Charaktere formulieren.

Entscheidend ist nicht das Ergebnis der Suche, sondern das, was sie mit den Zurückgebliebenen macht. Die Metapher des "Sunbirds", eines Vogels, der frei, leicht und flüchtig durch die Welt zieht, steht für jene Menschen, die sich der Konvention entziehen, die sich nicht binden lassen wollen, auch wenn sie andere dadurch verletzen. Slocombe stellt diese Sehnsucht nach radikaler Freiheit dem Bedürfnis nach Bindung gegenüber und lässt die Leserinnen und Leser mit der unbequemen Frage zurück, was wichtiger ist: die Treue zu sich selbst oder die Verantwortung gegenüber anderen. Indien dient dabei, um Kontraste zwischen westlicher Rationalität und östlicher Offenheit für das Unbegreifliche zu inszenieren.

"Sunbirds" ist ein eindringlicher Roman über Verlust, Heilung, Selbstsuche und den Mut, andere Wege zu gehen. Slocombe gelingt es, große Fragen in intime Erzählungen zu verpacken. Wie man manchmal loslassen muss, um sich selbst zu finden.