Eine Kerbe in der Lebenslinie

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miro76 Avatar

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Oz Dinkelspiel hatte eine Kunstgalerie in Stuttgart bis sich die Lage in Deutschland zuspitzte. Als die Gestapo vieler seiner Bilder beschlagnahmt, zögert er nicht lange und flieht mit seiner Familie nach Dänemark, wo sie bei einer entfernten Tante unterkommen. Sie hatte einst einen Quäker geheiratet und ist konvertiert. Ihr Mann ist mittlerweile verstorben und sie kann das Geld der Dinkelspiels gut brauchen.

So versuchen Oz und Malka Dinkelspiel mit ihren drei Kindern, Ricarda, Meret und Friedrich die Zeit dort auszusitzen.

Ricarda und Meret, die großen Töchter hadern sehr mit ihrem Schicksal. Sie mussten ihre Jugend und ihre Zukunft zurücklassen. Ricarda wollte studieren und mit ihrem Verlobten zusammenleben und Meret sollte bald Abitur machen. Beiden haben das Gefühl, alles verloren zu haben.

Sie alle müssen sich neu orientieren. Schlußendlich auch die Tante, denn diese fünf Gäste bringen ihr ordentliches Leben ganz schön durcheinander.

Doch die Autorin erzählt uns nicht nur von dieser Familie und ihren Schwierigkeiten im Exil. Auch Bert Brecht ist in Svendborg gelandet und Meret freundet sich mit seiner Geliebten Grete Steffin an. So erfahren wir nebenbei einiges über ihn und andere Persönlichkeiten, die in Dänemark die ersten Kriegsjahre verbringen.

Tanja Jeschke gelingt es gut, nachvollziehbar zu schildern, wie es sich anfühlt alles hinter sich zu lassen; wie sich so ein Bruch in der Lebenslinie auswirkt. Es geht nicht nur darum, was man alles zurücklassen musste, sondern auch darum, welche Möglichkeiten sich gar nicht erst bieten. Und man beginnt zu verstehen, dass zwar einerseits Leben gerettet sind, aber auch, dass zählt wie viel verloren wurde. Vielleicht hinterfragt man nach der Lektüre die große Dankbarkeit, die hierzulande gerne von den Geflüchteten gefordert wird. Denn so viel Unterschied ist da gar nicht.

Meret schafft es in diesem Jahr 1937 in Svendborg anzukommen und der Epilog gibt Ausblick auf das weitere Leben der anderen Familienmitglieder.

Diese Geschichte um die Familie Dinkelspiel hat mich sehr berührt. Manche Exkurse in die Welt der exilierten High Society hätte ich nicht unbedingt gebraucht. Sie machen die Geschichte etwas unpersönlicher. Deshalb ziehe ich bei meiner Bewertung einen Stern ab.