Neues Leben im Exil?

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martinchen Avatar

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Als in der Galerie von Oz Dinkelspiel Werke als entartete Kunst beschlagnahmt werden, flüchtet er mit seiner Frau Malka und seinen Kindern Ricarda, Meret und Friedrich nach Svendborg auf der dänischen Insel Fünen zu einer angeheirateten Tante.

Tanja Jeschke erzählt sehr eindrücklich, was es für die Familie bedeutet, ihr Leben hinter sich zu lassen und in eine ungewissen Zukunft zu blicken. Für die beiden halbwüchsigen Töchter Ricarda und Meret ist es ganz besonders schwer. Ricarda hält sich an dem Plan fest, zusammen mit ihrem Verlobten nach Israel auszuwandern. Meret versucht, sich mit der Situation zu arrangieren. Als Ricarda die Schauspielerin Ruth Berlau kennelernt und Meret sich mit Grete Steffin anfreundet, verändert sich ihr Leben. Beide Frauen sind beruflich und privat mit Bertolt Brecht verbunden, der zu dieser Zeit ebenfalls auf Fünen lebt. Kleiner Einschub: mich hat der Roman bewogen, mich näher mit diesen beiden Frauen zu beschäftigen, die ausgesprochen interessante Biografien haben.

Die Autorin zeigt, was der Verlust von Heimat, Freunden und anderem Liebgewonnen bedeutet. Jeder geht damit auf seine eigene Weise um, das betrifft nicht nur die Familie, sondern auch die Frauen um Brecht und andere Emigranten, denen die Dinkelspiels begegnen. Das gilt für Emigranten, Flüchtlinge und Vertriebene zu allen Zeiten. Damit ist das Thema sehr aktuell, auch wenn die Umstände andere sind.

In einem ruhigen Schreibstil reiht Tanja Jeschke die Ereignisse aneinander. Damit trifft sie in meinen Augen genau die Stimmung der Orientierungslosigkeit, der vagen Hoffnung auf eine Zukunft, von der keiner weiß, wie sie aussieht und die, wie im Epilog beschrieben, nicht in Dänemark stattfindet.

Tanja Jeschke, Jahrgang 1964, studierte Germanistik und Evangelische Theologie und arbeitete als freie Autorin, Literaturkritikerin und Lektorin. Für ihre Werke erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen.

Das Cover mit dem Mädchenkopf im Profil in einem Zug, mit den Regentropfen am Fenster, ist sehr aussagekräftig und passt ausgezeichnet zum Inhalt.

Fazit: ein ruhiger Roman, der zum Nachdenken anregt. Eine Leseempfehlung