Das meiste bleibt unerwähnt aber unvergessen

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jenvo82 Avatar

Von

„Und damals kam mir der Gedanke, dass die größte Lüge, die die Alten über die Jungen erzählen, ist, dass die Jugend frei von Ängsten, Sorgen und Befürchtungen ist. Verdammt, kann sich denn wirklich keiner mehr erinnern, wie das war?“

Inhalt

Charlie Lewis erzählt rückblickend nicht nur die Geschichte seiner ersten großen Liebe, sondern lädt den Leser ein, in seine Zeit als Teenager, die für ihn die gesamte Gefühlspalette bereithielt. Angefangen bei seinen immer schlechter werdenden schulischen Leistungen, hin zu einem von Sorgen angereicherten häuslichen Dilemma, nachdem sich seine Eltern getrennt haben und er allein beim depressiven Vater bleiben muss, während seine Schwester mit der Mutter wegzieht. Über einen recht eigenwilligen Freundeskreis, der nur wenig Perspektiven bietet, bis hin zu seiner großen Herausforderung namens Fran, die ihn sofort in ihren Bann zieht und ihm durch das gemeinsame Mitwirken an einer Theaterinszenierung immer näherkommt. Nun ist Charlie erwachsen und steht kurz vor seiner Hochzeit, da bietet sich eine Gelegenheit, die Theatergruppe von damals noch einmal wiederzusehen, nach 15 Jahren, die ganz entscheidend für alle Beteiligten waren und Charlies Neugier ist geweckt, was wohl aus den Menschen von damals geworden ist und ob sie alle ihren Weg gefunden haben …

Meinung

Vor einigen Jahren habe ich bereits „Zwei an einem Tag“ von David Nicholls gelesen, ein Roman über die Liebe, der mich begeistern konnte und mir tolle Lesemomente beschert hat, deshalb war ich auf die aktuelle Story rund um den Teenager Charlie und seine erste große Liebe sehr gespannt. Aber so ganz kann diese Erzählung nicht an meine ersten positiven Leseerfahrungen anschließen. Möglicherweise bin ich mit der falschen Erwartungshaltung in die Lektüre gestartet, die für mich ganz eindeutig eine Liebesgeschichte sein sollte, die den einen Sommer, der alles verändert in Worte kleiden sollte. Doch dieses Buch ist viel mehr als nur die Betrachtung eines verliebten Jungen auf seine Jugendliebe, es ist die Geschichte seines Erwachsenwerdens, mit sämtlichen Eckpunkten, die für junge Menschen relevant sind und sich als wichtig erweisen.

Wenn man sich darauf einlassen kann, dass es ein Coming-of-Age Roman, mit vielen Bausteinen ist, bei dem die Liebe zwar eine Rolle spielt, aber nicht die alles entscheidende, dann hat man an der Lektüre sicherlich viel Freude. Der Autor hat einen wunderbar sympathischen, humorvollen Schreibstil, der nicht nur oberflächlich an der Gefühlswelt seiner Protagonisten kratzt, sondern deren Gedankengänge nachvollziehbar werden lässt. Viele Passagen des Textes werden durch die wörtliche Rede ausgeschmückt, erlebbar in intensiven Dialogen, die nur hin und wieder unterbrochen werden. Dadurch entstehen Bilder vor dem inneren Auge und die handelnden Personen bekommen ein Gesicht und eine Rolle, nicht nur im Theaterstück „Romeo und Julia“, welches sie inszenieren, sondern auch im Leben.

Dennoch bin ich mit dem Gesamteindruck der Geschichte nicht ganz warm geworden, was einerseits daran liegen mag, dass ich mir viel mehr Innerlichkeit zwischen Charlie und Fran gewünscht hätte, die nach ihrem Zusammenkommen, doch nur sehr kurz ein Liebespaar waren. Und zum anderen an den Längen, die sich immer wieder einschleichen, sei es durch Szenen beim Theater oder Eindrücke aus Charlies Leben, die sich weit von einer Liebesgeschichte entfernen. Mir hätte das Buch besser gefallen, wenn es nicht ein Mix aus all diesen kleinen Erlebnissen gewesen wäre, sondern sich zielgerichtet auf etwas konzentriert hätte.

Fazit

Ich vergebe 3 Lesesterne für diesen Roman über das Erwachsenwerden begleitet durch zahlreiche Menschen, die alle ihren Anteil an der Entwicklung des Protagonisten hatten. Einfühlsam und realistisch spiegelt sich die Zeit der Jugend mit all ihren Ängsten und Problemen wider und offenbart gleichermaßen einen gewissen Weitblick, wenn man die Vergangenheit aus der Perspektive eines Erwachsenen betrachtet. Das Ende des Romans stimmt versöhnlich - dass jede Zeit im Leben ihre Überraschungen bereithält, ihre Herausforderungen stellt und ihre Spuren hinterlässt. Nur für eine Liebesgeschichte, die ich mir erhofft hatte, fehlte mir eindeutig die entsprechende Interaktion zwischen den Beteiligten.