Ein Buch zum Geniessen

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emmmbeee Avatar

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Der Teenager Charlie Lewis begegnet eines Sommers der jungen Fran Fisher. Er verliebt sich Hals über Kopf in sie und gerät dadurch eher widerwillig in eine Hobby-Theatergruppe. Dass ausgerechnet "Romeo und Julia" gespielt wird, ist quasi bereits eine Schlussfolgerung im Handlungskonzept.
Charlie hat durch die Trennung seiner Eltern bereits einiges zu verdauen und möchte eigentlich nur ein wenig Geld verdienen und den Sommer geniessen. Doch die erste Liebe wirft ihn aus den Schienen. Jahre später, kurz vor seiner Hochzeit, wird er mit der Frage konfrontiert, ob es nicht richtiger wäre, seine Braut zu verabschieden, um mit Fran sein Lebensglück nicht zu verpassen.

Charlie ist schon deshalb eine sympathische Person, weil seine Überlegungen und Handlungen gut nachvollziehbar sind. Die Trennung der Eltern ist auch eine weit verbreitete Tatsache. Man kann ebenfalls Fran gut verstehen, denn so oder ähnlich läuft es meistens ab. Und auch, dass Liebende sich Jahre später wieder begegnen und vor Entscheidungen stehen, kommt häufig vor.

Einfühlsam herausgearbeitet sind die mehrfachen Situationen des Zweifelns, auch in den Rückblicken. Da gelingen Nicholls starke Szenen und überraschende Wendungen. Etwas gestört hat mich aber die Langatmigkeit, besonders bei der Beschreibung der Theaterproben. Das ist vielleicht, weil Nicholls selbst Schauspieler ist und ihm an der Vermittlung der Darstellung auf der Bühne besonders viel liegt. Viele der schier endlos scheinenden Passagen liessen sich bestimmt stark reduzieren. Die Handlung gewinnt dadurch an Tempo und Verve. Andrerseits: Nicholls Sprache ist bilderreich, zart und schön. Ein Genuss. Trotz der 500 Seiten habe ich bis zum Schluss durchgehalten. Als ehemalige Radiomoderatorin schätze ich ausserdem sehr, dass die Handlung von Musik begleitet wird und so ein Plus an Farbe, Zeitgeist und Leben erhält.

Allein von der Optik und vom Titel her hätte ich das Buch nicht zu meiner Lektüre gewählt. Aber sweet im Sinn von süsslich ist der Stoff keineswegs gearbeitet. Und der Name des Autors bürgt für Qualität.

Meine Empfehlung: Der Roman ist nicht für jeden Leser und eignet sich nicht zum blossen Verschlingen. Es ist vielmehr ein Buch für gewisse Zeiten, und vor allem: für GENUG Lesezeit.