Oh, Sweetgirl

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melail Avatar

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Mulhauser schrieb hier eine spannende, bitterböse Geschichte, die sich perfekt dazu eignet, den Leser spätabends in die winterliche Landschaft von Michigan, die Flucht und das Leben von Sweetgirl zu entführen.

Die Charaktere sind vielleicht nicht alle einzigartig im Sinne von „noch nie dagewesen“, aber auf jeden Fall einzigartig im Sinne der Geschichte. Dadurch hebt sich der Autor für mich stark von anderen Romanen – sprich, „dramatische Flucht durch verschneite Berglandschaften bei Nacht“ - in diese Richtung ab.
Jede Figur in diesem Roman ist eine kleine Welt für sich. Die vorhandenen Seiten können uns zwar nicht zu 100% in jede Welt entführen, doch sie vermögen es, ein sehr klares und deutliches Bild eines jeden Charakters zu zeichnen.
Für mich persönlich ist Portis das „große Kino“ in diesem Buch. Er hat ein derart bös-sarkastisches Mundwerk, dass jede noch so traurige und trostlose Situation vom Leser auch mit einem kleinen Lächeln durchlebt werden kann.
Percy hingegen trägt vor allem durch ihre gedanklichen Abschweifungen sehr zur Atmosphäre der ganzen Geschichte bei. Anstatt jeden schneebeladenen Ast, und jedes fragwürdige Geräusch in der näheren Umgebung, zu beschreiben, zieht Percy sich in ihr Innerstes zurück. Zu ihrer Kindheit, ihrer Mutter, der Schule, …

Mein einziges Manko sind die Gespräche. Nicht die Gesprächsthemen per se, sondern viel mehr die Gestaltung. Man liest sehr oft hintereinander „sagte sagte sagte sagte“. Die Unterhaltungen lesen sich zwar dennoch sehr flüssig, trotzdem war mir das ein kleiner „Dorn im Auge“. Inwieweit das Ganze dazu dienen soll zu verdeutlichen, wie einfach gestrickt manche Charaktere sind – darüber lässt sich natürlich streiten. (Trotzdem reicht das nicht aus, um meine "5 Sterne Begeisterung" für dieses Buch zu schmälern!)

Trotz allem lässt einen die Geschichte von Sweetgirl mit sehr gemischten Gefühlen zurück. Auch wenn es eine verhältnismäßig kurze Geschichte ist, schließt man die Charaktere doch so sehr ins Herz, dass man das Buch mit einem weinenden und einem lachenden Auge schließen wird.