Klischees über Klischees

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Im Nachfolgeband zu "Sylt oder Selters" wird die Geschichte nach dem Happy End erzählt. Nina und Jan sind glücklich verliebt, haben genügend Kohle geerbt und sich damit ihren Traum von einer Surfschule inklusive Strandbistro auf Sylt erfüllt. Doch hält die Liebe auch dem Alltag stand? Dieser Frage widmet sich Claudia Thesenfitz in "Sylt oder solo", welches ich als Rezensionsexemplar erhielt. Den ersten Teil fand ich sehr enttäuschend, da ich das 2017 erschienene"Meer Liebe auf Sylt" aber recht charmant fand, probierte ich es mit "Sylt oder solo" noch einmal mit dem Ergebnis, das ich nie wieder ein Buch der Autorin anfassen werde.

Die Ausgangssituation ist folgende: Ninas Zeltplatznachbarin Elli aus dem ersten Teil ist verstorben und hat ihr erstaunlich viel Geld (650.000€) hinterlassen. Nina und Jan eröffnen daraufhin nicht nur ihre Surfschule, sondern gehen auch auf exquisite Shoppingtouren, überwintern auf Fuerteventura und nutzen eine Ernährungsberatung für Hunde (ja, richtig gelesen!). Klar, dass die finanziellen Reserven auf Dauer schrumpfen und auch in der Liebe knistert es nicht mehr so wie noch vor zwei Jahren.

Zunächst muss ich mich einmal ein bisschen über Jan auslassen: Ständig kritisiert er Ninas Äußeres, die sich daraufhin genötigt fühlt, sich für ihn schick zu machen, um ihn nicht an jüngere Surfschülerinnen zu verlieren. Obwohl beide in der Surfschule berufstätig sind, scheint der Haushalt klar Ninas Sache zu sein und als wäre das nicht schon konservativ genug, lässt Jan auch noch überall einfach seine Sachen fallen und rumliegen, sobald er sie nicht mehr benötigt. Sollte Nina ihn darauf aufmerksam machen, kommt von ihm bloß "Was ist mit dir los, kriegst du deine Tage oder was?".

Natürlich nimmt Nina all diese Probleme hin und auch als Jan eine Beziehungspause einlegt, weint sie ihm ständig nur hinterher, verliert das letzte bisschen Selbstachtung und macht sich total zum Affen, als sie ihm täglich hinterhertelefoniert und ihn (und seine Schwester) mit SMS und Mails bombardiert. So etwas frauenverachtendes habe ich lange nicht mehr gelesen (mit Ausnahme des Vorgängerromans "Sylt oder Selters" natürlich). Und wo wir bei frauenverachtend sind: Nina selbst erwähnt in einer Szene, dass sie ihren Führerschein nur dank ihres kurzen Rockes sofort bestanden hat und darauf ist sie auch noch stolz. Das heutige, hart erkämpfte Frauenbild wird so sehr mit Füßen getreten, dass ich das Wörtchen "Glücksroman" auf dem Cover nur allzu gerne in "Wutroman" umtauschen würde.

Alle Charaktere sind unglaublich platt. Claudia Thesenfitz legt hier wirklich null Kreativität an den Tag, sondern lässt bloß die üblichen Klischees zum Leben erwachen wenn Nina mal wieder eine neue Freundin braucht, die nach nur zwei gemeinsam verbrachten Stunden ihre neue BFF wird, sie mit "Süße" und "Schatz" anspricht, Küsschen und unbrauchbare Ratschläge verteilt.

Das Problem mit den Frauenzeitschriftparolen und den abgelutschten Witzen/Facebook-Sprüchen/Wortspielen besteht übrigens weiterhin genauso wie im ersten Buch. Die Witze sind schlecht platziert, trafen gar nicht meinen Humor und werden dazu noch ständig wiederholt.

Das Ende ist vorhersehbar, unkreativ, entspricht dem Frauenbild der 1930er und die drohenden finanziellen Probleme von Nina sind natürlich auch nicht gelöst. Ich habe viele Seiten einfach nur noch überflogen, weil ich so enttäuscht und wütend war und einfach nicht glauben kann, dass eine solche "Geschichte" irgendeiner Leserin (oder einem Leser, wobei die Zielgruppe wohl eher Frauen sind) wirklich gefällt.