Der alte Leßmann blitzt durch

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herr_stiller Avatar

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Max Richard Leßmann ist ein Mann der Klischees. Irgendwo zwischen Social-Media-Held und -Meme wandelt er mit seinen Gedichten durch dieses Internet, nachdem er seine Musikkarriere beendet und Podcasts gestartet hat, beides irgendwie ein bisschen schade, sein Soloalbum und sein gemütlich-melancholischer Weihnachtshit waren noch ein wenig besser als seine Band Vierkanttretlager, sein öffentliches Ich irgendwie sympathischer, keine Kunstfigur, aber darum soll es ja nicht gehen, schließlich liegt jetzt hier ein kleiner, feiner Roman vor: Sytler Welle.

Und ja, das mit den Klischees, das geht dann halt direkt so los: Bahnverspätung, Rentner in Trekking-Kleidung, darüber wurden eigentlich schon alle Witze gemacht und vermutlich auch schon Poesie und Prosa zuhauf verfasst, aber gut, irgendwie muss es ja losgehen und ganz uncharmant ist es ja nicht - die Verspätung hat für Leßmann oder dessen Hauptfigur was gemütlich-verlässliches und keinen Welthass zur Folge.

Der Protagonist also ist auf dem Weg nach Sylt, Urlaub mit Omma und Opa, wie jeden Sommer seit 20 Jahren, jetzt aber ohne den Wohnwagen, der abgemeldet und vermutlich abgewrackt wurde. Dafür mit Kindheitserinnerungen an Sylt, an Husum, mit Pandemie-Zeitgeist (kein Cappu für Omma mangels Luca-App auf dem alten Nokia-Knocken) und ja, irgendwie ist das schon charmant, so eher der Leßmann der früheren Tage, aber so ganz traue ich dem Braten noch nicht, an wen sich Sylter Welle richtet - die alte oder die neue Zielgruppe oder doch irgendwie an beide. Es liest sich ganz gut und gar nicht so nervig wie Bücher anderer Social-Media-Sternchen und das ist eigentlich doch ganz schön und gut und macht Mut, ja doch.