Liebeserklärung und Abschied

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Ein letztes Mal gemeinsamer Urlaub auf Sylt, wie in langen Jahren der Kindheit, mit Oma Lore und Opa Ludwig, Omma und Oppa.

Das Buch hat ein großartiges Coverbild von Jessine Hein: der idyllische Sonnenuntergang, und dann der Strandkorb in Flammen - wirklich sehr ausdrucksstark und symbolisch für die Gefühle, mit denen Protagonist Max seine alternden Großeltern, und damit auch sich selbst, erlebt.
Die eigenen Großeltern altern sehen, wenn man selbst erwachsen ist, ist ein ganz eigenes Gefühl. Zum einen, weil man in dieser Beziehung selbst immer jung und Kind bleibt, während die Großeltern gefühlt schon immer alt gewesen sind. Zum anderen, weil immer mehr das Bewusstsein von Endlichkeit, Abschied und letzten Malen mitschwingt.

Max Richard Leßmann hat das Gefühl Familie sehr berührend erfasst, melancholisch und humorvoll, gleichzeitig sehr persönlich und sehr universell.
In der Gegenwart klingt immer auch die Vergangenheit an, diese typischen Geschichten, die jede Familie hat, die geflügelten Worte, die irgendwann entstanden sind und sich durch die Zeit ziehen, die Familienmitglieder, die durch Geschichten und Erinnerungen immer alle irgendwie mit anwesend sind, auch wenn sie nicht da sind, oder gar nicht mehr da sind.
Die Vertrautheit zwischen Enkel und Großeltern ist auf allen Seiten spürbar, die tiefe Liebe und Zuneigung, die in manchen Momenten etwas ganz anderes ist, als das, was man in anderen zwischenmenschlichen Beziehungen überhaupt als Liebe oder auch nur Mögen bezeichnen würde.
Die Merkwürdigkeiten und Sonderbarkeiten, die die Jungen in den Alten genauso sehen wie die Alten in den Jungen, führen nicht zu Konflikten, wie sie das zwischen Eltern und Kindern tun würden, sondern werden im Überspringen der Generation mit liebevoller Nachsicht oder hier Oma Lores strenger Fürsorglichkeit hingenommen.
Während man die Familiengeschichte von Max liest, hat man immer auch die eigene Familie vor Augen, mit ihren ganz eigenen Persönlichkeiten, Eigenheiten und Erinnerungen.

Auf den vergleichbar wenigen Seiten des Buches überrollen sehr viele Emotionen die/den Lesende*n, wie die Wellen der Nordsee, mal still und fast sanft, dann wieder mit der enormen Wucht eines Sturms.
Eine traurig-schöne, fein beobachtete und charakterisierte Geschichte, nach der ich jetzt meine eigene Oma anrufen werde.