Margarinebrot statt Fischbrötchen

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Und da ist sie doch wieder: Die Bekleidungsmarke Barbour, die bereits in die deutsche Sylt-Literatur in Krachts „Faserland“ in Form der ikonischen Jacke Eingang gefunden hatte. In Max Richard Leßmanns Debütroman „Sylter Welle“ reicht es allerdings nur für den Stoff einer Badehose des Erzählers. Das ist schon recht bezeichnend für sein Verhältnis zur Insel mit dem Schickimicki-Faktor, die im Sommer vor dem Erscheinen durch das Neuneuroticket ihr Kultpotential neu entfachte. Insofern kommt Leßmanns kurzweilige Romanreise genau richtig. Der Erzähler begleitet darin seine Großeltern, die ihn als Kind bereits immer mit in die Ferien nach Sylt mitgenommen haben. Aber sie sind eben nicht in die vornehmen Hotelzimmer Westerlands abgestiegen und ernährten sich von Fischbrötchen und Champagner auf der Terrasse von Deutschlands nördlichster Fischbude. Für sie hieß es Camping und Selbstversorgung. Die Nahrungsmittel – ein großer Topf Margarine, eine Packung Maggi-Fondon und die Kartoffeln aus eigenem Anbau – waren bereits Teil des Gepäcks. Das ist das, was man sich leistet: Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Für den Erzähler ist diese Reise als Erwachsener eine Reise zurück in die Kindheit aber auch in die Lebensgeschichte seiner Großeltern, einer Generation, deren Erinnerung schon nicht mehr direkt mit dem Krieg aber doch mit der eigenen Fluchtgeschichte beginnt. So ist es auch hier bei Omma und Oppa, wie es phonetisch korrekt von Leßmann geschrieben wird. Dass gerade die Geschichten über das Essen hier so einen großen Raum einnehmen, ist daher kein Zufall: Zunächst gehören Geschmack und Geruch von Speisen – egal ob schmack- oder ekelhaft – von jeher in die Literatur, die Kindheitserinnerungen hervorruft, gehört. Zum anderen hat jede Generation, zwischen denen der Text hin und her springt, ihre eigene Einstellung zur Nahrung. Zwischenzeitlich hat man allerdings das Gefühl, dass diejenigen Lesenden, die die Nahrungsbeschreibung überblättern würden, nicht mehr viel vom Roman „Sylter Welle“, der seinen Titel von einem bekannten Wellenhallenbad auf der Insel hat, übrighätten.
Daneben gibt es aber doch noch die Figuren und ihre Entwicklung. Dabei entsteht eine liebevolle Mischung aus Tragik und Komik und ein Bild einer Großelterngeneration, in dem die Kinder der Jahrgänge um 1990 – zumindest aus westdeutscher Sicht – sicherlich einiges mehr wiedererkennen werden. Alles in allem braucht man dafür nicht warten, bis man am Strand von Westerland liegt, um diesen Roman als Strandlektüre zu genießen. Es reichen auch Ostsee, Wannsee oder der nächstgelegene Baggersee.