Schmerzhafte Vergänglichkeit

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ninoreads Avatar

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Eine kleine Achterbahnfahrt: Fängt sehr stark an, plätschert dann lange vor sich hin, während es an Spannung verliert, bis es aber mit einem traurig schönen Ende abschließt.

Der erste Satz hat mir Tränen in die Augen getrieben. Ich musste direkt an meine eigene Oma denken. Aber es waren keine schlechten Tränen, sondern positive. Dementsprechend und auch, weil ich Max Richard Lessmanns Texte so wunderbar schön finde, bin ich mit (wahrscheinlich) zu hohen Erwartungen an das Buch herangegangen.

Allein in den ersten Seiten gibt es so viel Potenzial für Herzschmerz, schmerzhafte Erinnerungen, die mir gleichzeitig das Herz zerreißen und es mit Liebe füllen können. Max Richard Lessmann kann das einfach wie kein anderer. Ich habe so viele Textstellen im Buch markiert, die ich total nachempfinden kann und war mir sicher, dass weitere folgen würden.

Leider verlief sich das mit den folgenden Seiten. An sich begleiten wir den Protagonisten nur für drei Tage auf Sylt, wo er seine Großeltern besucht. Viel passiert da nicht- aber durch Erinnerungen, die in den drei Tagen wach werden, zieht sich die Zeit ein wenig. Der Opa wird langsam senil, vielleicht dement, kommt aber eher selten wirklich vor. Vielmehr geht es um Oma Lore, die eine wahre Powerfrau ist.
Das ganze aber mit so viel Konstrukt drumherum, dass sich die Geschichte ein wenig schleppt. Zwischendrin hatte ich keine Ahnung, wo der Autor mit seiner Erzählung hin möchte und ich hatte das Gefühl, dass auch er das nicht so ganz wusste.

Vielleicht passt es aber auch gerade deshalb zur Thematik der Vergänglichkeit. Und das ist etwas, das ich Max Richard Lessmann hoch anrechne: Beim Lesen habe ich viel darüber nachgedacht, was es heißt, vergänglich zu sein und was es heißt, loslassen zu können. Von Ideen, Vorstellungen und auch Idealen. Das war schön.

Umso schöner ist deshalb wieder das Ende. Es ist kein Happy End. Aber es ist auf eine traurige, die Vergänglichkeit einfassende, Art wunderschön. Und ich glaube, dass das der Zauber des Buches ist. Nicht, dass es erzählerisch und literarisch ein Meisterwerk ist, sondern, dass es so unfassbar nah am Menschen geschrieben ist und deshalb unfassbar nah an die Lesenden kommen kann.