Am Anfang vom Ende steht eine Computertastatur

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Am Anfang vom Ende steht eine Computertastatur – das Internet als Achillesferse einer ganzen Gesellschaft

Ein ausgeklügelter und raffinierter Cyberangriff eines Unbekannten stellt in einer Zeit, in der Technik und Internet einen Großteil des Alltags bestimmen, einen massiven Schlag gegen die Infrastruktur in Europa dar. Der zunächst schleichende Ausfall von Verkehrsleitsystemen und Mobilfunknetzen eskaliert, als letztendlich auch die Mobilität und die Versorgung mit Strom, Wasser und Nahrungsmittel gefährdet sind. Szenarien wie panische Hamsterkäufe und Plünderungen, eine rasant steigende Kriminalität und brutale Gewalttaten lassen deutlich erkennen, dass es den Menschen nur noch um das eigene Überleben geht. Der ausgebildete IT-Spezialist und Softwareentwickler Daniel Faber steht als Hauptverdächtiger im Fokus der Ermittlungen und versucht verzweifelt, seine Unschuld zu beweisen. Der ehrgeizige BND-Ermittler Nelson Carius soll den vermeintlich koordinierten Großangriff untersuchen. Carius liebt die Herausforderung, ist von einem abgestimmten Angriff und nur einer Tätergruppe felsenfest überzeugt, hat jedoch Zweifel an der Täterschaft Fabers. Gemeinsam mit seiner Kollegin Diana Winkels ermittelt Carius in alle Richtungen, doch die Zeit wird knapp. Denn die Angriffe im Internet häufen sich, und deren Auswirkungen kosten zahlreiche Menschenleben.

Wolf Harlander nimmt sich in seiner Neuerscheinung „Systemfehler“ eines hochaktuellen Themas an und führt seiner Leserschaft detailliert vor Augen, in wie vielen Bereichen wir diversen Computersystemen ausgeliefert sind und blind auf deren Zuverlässigkeit vertrauen. Thematisiert werden nicht nur die Auswirkungen eines europaweiten Internet-Versagens, sondern auch die Begleitumstände und die Auswirkungen auf die Menschen. Der Autor erzählt von der Suchtwirkung von Computerspielen und den Einfluss einer permanenten Smartphone-Nutzung auf das Verhalten der Menschen, welche im Falle eines totalen Internetversagens zu regelrechten Entzugserscheinungen führt. Er beschreibt das Verhalten von Menschen in Krisenzeiten, manipulatives Handeln, aber auch gefährliche Ausschreitungen und Plünderungen bei drohenden Versorgungsengpässen. Wolf Harlander zeichnet ein drastisches und äußerst realistisches Szenario und erzeugt dadurch ein Gefühl der Beklemmung beim Lesen.

Die Aussage des Autors, dass Web und Mobiltelefon sich sehr langsam in das Leben von Milliarden Menschen eingeschlichen haben, nun ihre Aufmerksamkeit aufsaugen und deren Lebenszeit kapern, empfinde ich als erschreckende Tatsache. Es wird einem bewusst, wie viel Zeit man tatsächlich vor einem Bildschirm oder mit Smartphone in Händen verbringt, wie rasch man in eine Abhängigkeit schlittern kann und das Gefühl erzeugt wird, ständig online, stets informiert und erreichbar sein zu müssen

Was mir sehr gut gefallen hat war die Tatsache, dass der Autor bei jedem Szenenwechsel, bei jedem Wechsel zu einem anderen Handlungsort und anderen handelnden Figuren, einen neuen Absatz mit Nennung des Schauplatzes als Überschrift beginnt. Dies erleichtert die Orientierung im Buch ungemein.

Der Spannungsfaktor wird durch die permanenten virtuellen Bedrohungen und deren verheerenden Auswirkungen durchgehend hochgehalten. Die Geschichte dieser mit teuflischer Raffinnesse ausgeführten Cyberattacke hat mich sofort in den Bann gezogen. Die handelnden Figuren empfand ich jedoch als etwas blass, die Charakterzeichnung der Protagonisten war für meinen Geschmack unzureichend, die Akteure konnten mich emotional nicht einbeziehen. Was Nebenfiguren wie beispielsweise Daniel Fabers Ehefrau Isabelle sowie die beiden Töchter Carolin und Sophie betrifft, erhält man nur spärliche Informationen. Darüber hinaus gab es nach Beendigung der letzten Seite noch offene Fragen, aber auch zu rasch, in nur wenigen Sätzen, abgehandelte offene Themen. Was mir persönlich bei diesem Buch nicht gefallen hat war die sprachliche Umsetzung. Saloppe Ausdrücke und die Verwendung der Umgangssprache, der reichhaltige Einsatz derber Ausdrücke und Flüche sowie vereinzelte Fehler im Buch verleideten mir ein wenig die Freude an dieser Lektüre.

FAZIT: Ich empfand „Systemfehler“ als anregende, unterhaltsame, mit hohem Spannungsfaktor versehene Geschichte eines Szenarios, welches theoretisch zu jedem Zeitpunkt stattfinden könnte. Der hoch spannende Plot entschädigte mich für etwas zu blasse Charaktere, ein paar bis zuletzt offen gebliebene Fragen und einen Sprachstil, der meinem persönlichen Lesegeschmack leider nicht so ganz entspricht.