Spannend und aktuell

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palatina Avatar

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Wie sehr wir davon abhängig sind, dass „das Netz funktioniert“, führt uns Wolf Harlander mit seinem Thriller anschaulich vor Augen. In einzelnen Kapiteln, die an wechselnden Orten spielen, werden anschaulich die Folgen eines Internet-Crashs erzählt. Die Handlungsstränge spielen parallel, teilweise überlappend und beleuchten verschiedene Auswirkungen eines Netzausfalls auf das persönliche und berufliche Leben verschiedener Figuren.

Im Zentrum stehen ein Programmierer, der mit Marketing seinen Lebensunterhalt bestreiten muss, und jemand, der beim BND eine Stelle annimmt mit dem Hintergedanken, dort Informationen zu finden, um den mysteriösen Tod seiner Eltern erklären. Diese beiden werden den Verursacher letztendlich zur Strecke bringen.

Aber es geht auch um die Familie des Programmierers: seinen spielesüchtigen, pubertierenden Sohn, der letztlich entscheidende Hinweise gibt, seine Frau und die Töchter, die mit dem Flugzeug abstürzen, weil diese Technik ebenfalls von einem System-Ausfall betroffen ist, seine Schwester, die als Ärztin arbeitet, und seine Mutter, die eigentlich mit Technik wenig am Hut hat. All diese und weitere Figuren bekommen die Folgen eines Internet-Crashs am eigenen Leib zu spüren.

Der Thriller machen auch deutlich, was passiert, wenn nichts mehr so funktioniert wie gewohnt: Wenn die Mobilität zum Erliegen kommt, kein Bankautomat mehr funktioniert, die Wasserversorgung gefährdet ist, die Kommunikation nur noch eingeschränkt möglich ist und Nahrungsmittel auf einmal knapp werden. Menschen reagieren panisch und suchen nach Verantwortlichen. Sie machen „die da oben“ verantwortlich, weil irgendjemand eben schuld sein. Sie lassen sich aufhetzen und greifen zur Selbstjustiz. Jeder scheint sich selbst der Nächste und niemand kann eingreifen, wenn Anarchie um sich greift.

Erschreckend, aber durchaus vorstellbar, verdeutlicht der Thriller, wie Extremisten sich instrumentalisieren lassen und selbst eine politisch und gesellschaftlich instabile Situation für ihre Zwecke ausnutzen: Wie leicht dann Anarchie und das Recht des Stärkeren den gesellschaftlichen Zusammenhalt bedrohen, hat die Realität längst gezeigt. Wolf Harlander verdeutlicht das noch einmal mit seinem Thriller.

Die Geschichte ist gut erzählt, interessant sind auch die Stellen, in denen es darum geht, wie Hacker arbeiten. Aber nicht alle Handlungsstränge werden zu Ende erzählt. Das lässt Raum für eine Fortsetzung. An einigen Stellen werden allerdings Auswirkungen eines Netzausfalls zwar angerissen, aber nicht zu Ende erzählt: Warum kommt der Verkehr zum Erliegen, aber die Fahrzeuge des BND fahren immer noch? Wo haben die Leute auf einmal wieder Wasser her? Stinken die alle nicht ganz fürchterlich, wenn kein Wasser zum Duschen mehr da ist? Wovon kaufen die auf einmal ihr Essen, wenn es kein Geld mehr am Automaten gibt und keine Überweisungen möglich sind? Es wird nicht ganz deutlich, ob Angriffe aufs Netz punktuell oder dauerhaft sind. Das müsste deutlicher werden.

Insgesamt ist der Thriller aber sehr lesenswert, denn er hält unserer westlichen Gesellschaft mit ihrer Abhängigkeit vom Netz einen Spiegel vor und macht deutlich, welche Risiken trotz aller Bequemlichkeit damit einhergehen.