Gelungen

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simone1711 Avatar

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Das Buch ist definitiv spannend und sehr gut erzählt, ich konnte es kaum aus der Hand legen. Ein paar Schwächen hat es trotzdem, doch ich bin mir sicher, dass sich diese Krimireihe gut entwickeln wird.

Reilly Steel musste für ihre kleine Schwester Jess schon früh die Mutterrolle einnehmen, denn die Mutter der beiden Mädchen verließ ihre Familie und ließ die Kinder bei ihrem Vater zurück. Auf die kleine Schwester aufpassen, den Haushalt machen, etc. - von einer schönen Kindheit kann keine Rede sein. Jess bringt sich durch ihre aufmüpfige Art auch gern in Schwierigkeiten. Einem bekannten Sittenstrolch zeigt sie auf offener Straße ihr Höschen und wirft ihm danach einen Stein an den Kopf, "denn böse Menschen muss man bestrafen". Danach passiert anscheinend etwas Schreckliches mit Jess, doch dies wird erstmal nur angedeutet. Später erfährt man, dass Jess ihre Mutter und deren Lebensgefährten niedergemetzelt und mit zahlreichen Messerstichen getötet hat. Sie scheint religiös fanatisch zu sein, doch woher das kommt, wird nicht erklärt. Da Reilly sich weigert, sie zu decken, bricht sie den Kontakt ab und lässt sich auch im Gefängnis nicht besuchen.

Jahre später ist Reillys Vater aus Kalifornien nach Irland, seine Heimat zurückgekehrt und dem Alkohol verfallen. Zum einen wegen dem, was mit Jess geschah, zum anderen weil auch dort nichts mehr so ist wie in seiner verklärten Erinnerung. Reilly hingegen soll in Dublin mit ihrem Wissen als Profilerin die forensische Abteilung auf Vordermann bringen. Davon sind natürlich nicht alle begeistert. Mit großen Herausforderungen rechnet sie in Irland nicht, doch schon bald wird sie eines Besseren belehrt, denn es wird eine Leiche nach der anderen gefunden. Anfänglich scheint es keine Zusammenhänge zu geben, doch schon bald kommt auf, dass die Morde alle irgendwie miteinander zu tun haben, so unterschiedlich sie auch sein mögen - sogar ein angeblicher Selbstmord ist in Wirklichkeit ein Mord. Immer gibt es Hinweise auf Sigmund Freud, doch die Zusammenhänge sind nicht eindeutig genug, als dass Reilly ihre Kollegen davon überzeugen könnte. Der Täter wird immer dreister, scheint die Polizei an der Nase herumzuführen, und Konflikte innerhalb des Teams machen die Sache nicht einfacher. Einer der wenigen, die Reilly etwas zutrauen, ist Chris Delaney, der mit seinem etwas skeptischen Kollegen zusammen in den Mordfällen ermittelt, und er ist auch persönlich an ihr interessiert. Sie finden heraus, dass alle Opfer vor ihrem Tod unter Medikamenteneinfluss dazu gebracht wurden, eines der von Freud benannten Tabus in der menschlichen Gesellschaft zu verletzen. Inzest, Kannibalismus, Töten eines nahen Verwandten, etc. Dies ist nicht übermäßig blutrünstig beschrieben sondern wird eher am Rand erwähnt.

Als Reilly auffiel, was sie auf dem Nachttisch des getöteten Geschwisterpaares übersehen hat, wurde mir langsam klar wer der Mörder sein muss. Und da die Sache immer persönlicher wird, etwa ihr Fotoalbum im Labor auftaucht und ein Laken aus ihrer Wohnung entwendet wird (mit dem sich der angebliche Selbstmörder erhängt hat), kam es mir sehr unrealistisch vor, dass sie nicht einmal eine Ahnung gehabt haben soll. Und dass ihr Mentor, extra aus Amerika angereist um die Ermittlungen zu unterstützen, ihr überhaupt nichts von seinem Verdacht erzählt hat, kommt mir ebenfalls nicht ganz schlüssig vor. Stellenweise hat das Buch ziemliche Längen, in denen nichts nennenswertes passiert, und der Funke zwischen Chris und Reilly will auch nicht so recht überspringen, so dass ich nicht einmal sagen könnte, ob das Verhältnis der beiden nicht rein freundschaftlich ist. Genauso hätte ich mir das Ende etwas ausführlicher gewünscht - es wird vieles nicht erklärt, und manches wirkt auf mich sehr konstruiert. Nur damit, dass Jess eine waschechte Soziopathin gewesen sein soll, lässt sich meiner Meinung nach nicht alles aufklären - ich hätte vor dem Ende gerne etwas mehr über ihre Hintergründe erfahren.

Insgesamt hat mir das Buch aber sehr gut gefallen, und sicher werde ich die Folgebände auch lesen. Nicht zuletzt weil Reilly Steel eine sehr sympathische Protagonistin ist und ich zu gern wüsste, an welcher geheimnisvollen Krankheit Chris leidet.