Ein Buch voller Ungereimtheiten

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mrsdarcyreveals Avatar

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In „Tage einer Hexe“ entführt die in Bulgarien geborene Schriftstellerin Genoveva Dimova ihre Leserinnen und Leser in eine Welt voller Hexen, Monster und dunkler Magie. Geteilt durch eine Mauer, bilden die Städte Chernograd und Belograd die Schauplätze dieser Geschichte.
Die Handlung beginnt in der Neujahrsnacht in Chernograd, dem Beginn der zwölf sogenannten „Schmutzigen Tage“. Die Handlung des Buches erstreckt sich über besagten Zeitraum.

Obgleich der Beginn des Buches sehr plastisch beschrieben wird, fällt es dennoch schwer, sich in dieser fantastisch konstruierten Welt zurechtzufinden, weil es viele Ungereimtheiten gibt.

Dimova zeichnet ein düsteres Bild von Chernograd, das von Armut, dunklen Gestalten und Monstern gebrandmarkt ist. Die Abwesenheit von Farben erzeugt eine gewisse Trostlosigkeit. Im Gegensatz dazu scheinen die Menschen im schillernd bunten Belograd fern der Armut zu leben, was wohl vor allem Korruption und fragwürdigen finanziellen Einnahmequellen geschuldet ist. Die Einwohner Belograds sind stolz auf ihre Mauer, die sie von der Düsternis Chernograds separiert. Das hindert sie aber offenbar nicht daran, Waren von der anderen Seite der Mauer zu schmuggeln. Seien es Magie, Kosmetika, Medikamente – die Belograder scheinen ganz verrückt nach Erzeugnissen der anderen Seite zu sein.

Enervierende Ungereimtheiten gleich zu Beginn:
Chernograd ist düster, farblos, kalt, es ist tiefster Winter in dieser Neujahrsnacht - Armut, Angst und Trostlosigkeit überall.
Als es Kosara gelingt, auf S. 37 mit verbundenen Augen über die Mauer nach Belograd zu kommen, steht da folgendes geschrieben: „Eine warme Brise blies ihr ins Gesicht. Es roch nach fremden Gewürzen und exotischen Blumen, nach fernen Winden und nach salzigem Meer.“ Man möchte meinen, in Belograd herrschen mildere Temperaturen als im kalten, trostlosen Chernograd. Doch nur 5 Seiten weiter zittert Kosara vor Kälte.
Auf S. 107 riecht es nach frisch gemähtem Gras und nahendem Regen – auf S. 125 tanzen Schneeflocken durch den Wind. Von aufwendigem Worldbuilding kann also keine Rede sein.
Es ließen sich etliche weitere solcher Widersprüchlichkeiten aufzählen – das würde diese Rezension aber sprengen.

Der Erzählstil ist nicht ausgereift – wobei sich ganz klar feststellen lässt, dass dies dem Übersetzungsduo Wieland Freund und Andrea Wandel geschuldet ist. Ganze Absätze schillern nur so vor Wortmagie – in anderen werden die Worte irgendwie sperrig, schlimmer noch – es wird Umgangssprache angewandt. Sätze wie „Warum bist du wirklich über die Mauer?“ (S. 67) mindern die Qualität der Geschichte. Wohingegen sich der Sinn von Sätzen wie „Wobei – wenn Sie jetzt so drüber nachdachte, hatte er mit dem Lassen-Sie-die-Hände ein bisschen überzogen.“ (S. 123) auch nach mehrmaligem Lesen nicht erschließt.

Optisch macht die Erstauflage von „Tage einer Hexe“ zweifelsohne eine Menge her. Schutzumschlag, Farbschnitt und Kapitalband sind ganz hervorragend aufeinander abgestimmt. Offenbar schenkt das Verlagswesen der Optik eines Buches heute mehr Aufmerksamkeit als dem Inhalt.

Wer einen Eyecatcher für sein Bücherregal braucht, dem sei dieses Buch wärmstens empfohlen. Wer Ausschau hält nach unterhaltsamer Lektüre, der suche bitte weiter.