Aktueller Aufhänger, interessanter Plot
Die Mittfünfzigerin Annika lebt in Lübeck, wo sie den Familienbetrieb ihres Ehepartners, eine Papeterie, führt. Eines Tages taucht die junge Klimaaktivistin Luzie in ihrem Laden auf, kauft Sekundenkleber und klebt sich damit auf die Straße. Annika solidarisiert sich mit ihr und bricht danach aus ihrem Alltag aus, folgt Luzie nach Hamburg in ein Klimacamp. Annika ist durch Ereignisse in ihrer eigenen Jugend traumatisiert und fühlt sich für Luzie verantwortlich, bis zur Übergriffigkeit. Diese quittiert das mit gebremster Begeisterung. Letztlich brauchen die beiden sich gegenseitig. Annika begibt sich auf eine Reise in ihre Vergangenheit, die sie in den letzten Jahrzehnten verdrängt hatte. Auch Luzie hat ihre Geheimnisse. Die Romanhandlung, die Katrin Burseg sich ausgedacht hat, ist interessant und aktuell. Sie verflicht Ereignisse eines Klimacamps, das im August 2022 wirklich in Hamburg stattgefunden hat, Fridays for future, Aktionen der Letzten Generation und anderer Klimaaktivist:innen, Lützerath, Hambacher Forst, vor dem Hintergrund realer Pandemie-Erfahrungen mit der Besetzung der Hamburger Hafenstraße in den 1980er Jahren und erlebter Gewalt in diesen Kontexten. Die Geschichte wird sehr gemächlich aufgerollt. Den in großen Teilen anschaulichen Erzählstil fand ich an vielen anderen Stellen hölzern. Und leider ist mir keine Identifikation mit den beiden Hauptprotagonistinnen gelungen. Ihre Beweggründe, soweit erkennbar, waren für mich oft nicht nachvollziehbar, vieles blieb oberflächlich, konventionell oder klischeehaft, einiges wirkte auf mich zu konstruiert. Ein unpolitisch politisches Buch. Schön gestaltet ist der Einband mit dem Hafenpanorama. Der Roman hat mich neugierig gemacht auf die weiteren Veröffentlichungen von Katrin Burseg.