Hafenstraße und Letzte Generation

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„Tage mit Milena“ ist ein Roman, der eine Brücke zwischen der rebellischen Hausbesetzerszene der 1980er-Jahre und den heutigen Klimaaktivisten schlagen möchte. Im Mittelpunkt steht Annika, die ein ruhiges Leben in Lübeck führt, bis die Aktivistin Luzie plötzlich alte Wunden aufreißt und Annika mit ihrer Vergangenheit in der Hamburger Hafenstraße konfrontiert. Besonders gelungen finde ich den Versuch des Romans, den Aktivismus der Letzten Generation mit dem politischen Engagement der Achtzigerjahre in Verbindung zu setzen und so einen historischen Kontext für die aktuellen Protestbewegungen zu schaffen. Dieser Vergleich lädt die Leser*innen dazu ein, über die Entwicklung von politischem Widerstand und dessen verschiedene Formen nachzudenken.

Zu Beginn der Geschichte wirkten dabei auf mich leider einige Details etwas zu bemüht. Wenn Annika etwa ihren Mann als Teil der „slowflower Bewegung“ beschreibt und von ihren Einkäufen im Biosupermarkt spricht, wirken diese Anspielungen auf den modernen, ökologisch bewussten Lebensstil fast wie eine zu offensichtliche Konstruktion, um die Gegenwart zu beschreiben. Je tiefer die Geschichte jedoch in Annikas Vergangenheit und die Hausbesetzerzeit eintaucht, desto organischer und authentischer wirken die Charaktere. Die emotionale Tiefe der Figuren wird greifbar, besonders dann, wenn Annikas alte Freundschaften und ihre Beziehung zu Milena in den Fokus rücken.

Dennoch gibt es auch später im Roman Momente, in denen einige Handlungen der Charaktere zu sehr nach literarischem Kalkül anmuten. Manche Entscheidungen und Wendungen erscheinen etwas konstruiert. Dennoch ist „Tage mit Milena“ ein lesenswerter Roman, der nicht nur eine persönliche Geschichte über Freundschaft, Liebe und Verlust erzählt, sondern auch ein gelungenes Porträt zweier Generationen des Widerstands zeichnet. Insbesondere Hamburger:innen dürfte der Einblick in die Geschichte der Hafenstraße gefallen.