Wigtown, Bücher und der ganze Rest

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Im Jahr 2001 erwarb Shaun Bythell einen Buchladen in der kleinen schottischen Stadt Wigtown, in dem er seither oben auch mit der Katze Captain wohnt. Im Laufe der Jahre arbeitete er sich zum größten schottischen Händler, auch und besonders gebrauchter Bücher, hoch und beschloss dann, seine Erfahrungen und Erlebnisse niederzuschreiben. Im Februar 2014 begann er, täglich zu notieren, was ihm in seiner Sechs-Tage-Woche allerlei rund ums Buch passierte. Und das ist eine ganze Menge.
Seien es die regelmäßigen Anrufe einer älteren, sehr depressiven Frau, die stets nach seltenen Ausgaben fragte und absolut niedergeschlagen war, wenn er diese nicht vorrätig hatte, diese aber auch nicht bestellen wollte. Seien es eine Reihe von Kunden, die sich über bereits niedrige Preise echauffierten und erbost „diesen Saftladen“ verließen, wenn man ihnen nicht entgegenkam. Seien es sehr eigenwillige Mitarbeiter mit diversen Spleens oder die vielen Buchverkäufe (z.B. nach Haushaltsauflösungen) an ihn. Was Bücher – und dann in größeren Mengen – über einen Menschen aussagen können, wird einem Gerneleser hier erst so richtig bewusst. Dazwischen gibt es viel Alltag (zugige Räume, Bestellungen online, einen Kindle erschießen), diverse buchige Veranstaltungen und viel Kauzigkeit.
Dabei hat Bythell seine Erlebnisse wie ein Tagebuch angelegt. Zunächst folgt das Datum, dann die Anzahl der Bestellungen und wie viele der Bücher gefunden wurden – da Kunden Bücher nicht gern zurückstellen und schon gar nicht dahin, wo sie sie hergeholt haben, verschwinden Bücher immer mal wieder – geht in den Text über und schließt mit dem Tagesverdienst und der Anzahl der Kunden, die den Laden besucht haben. Zusammen ergibt sich daraus eine runde Summe, die es möglich macht, noch ganz viel zwischen den Zeilen herauszulesen. Obwohl es sich mittig etwas zieht, was vermutlich an der Gleichförmigkeit liegt, überliest sich das leicht, um dann noch einmal voll aufzufahren, weil der Lese-Voyeurismus verlangt, auch noch das letzte Bisschen herauszufinden. Am Ende gibt es einen Epilog, der zusammenfasst, was in den Jahren danach passiert ist.
Leider, leider gibt es keine Bücherliste von all den im Buch erwähnten Büchern, von denen offenbar nicht alle übersetzt wurden. Die hätte Bythells Erzählungen noch einmal abgerundet und zu etwas ganz Besonderem gemacht. Die Redaktion aller Beteiligten im Übrigen hat gute Arbeit geleistet, schon allein darin, all die Titel in deutscher Übersetzung ausfindig zu machen.
„Tagebuch eines Buchhändlers“ ist vor allem für Buchliebhaber, die ein bisschen tiefer in die Materie dahinter eintauchen wollen, geeignet. Es liest sich gut weg und unterhält köstlich, vor allem, weil der Reiz darin liegt, dass https://www.the-bookshop.com/, Schaun Bythell und Captain tatsächlich existieren und alle Erlebnisse so oder zumindest so ähnlich passiert sind.