Bedrückender, komplexer Kriminalfall

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Kurzbeschreibung (Quelle: Amazon)
Eine Tote, mitten im Wald. Getötet an dem Ort, wo vor Jahren das Skelett eines kleinen Mädchens lag. Ein cold case, der nie gelöst wurde. Wer sind die Toten? Was hat der spurlos verschwundene Kommissar mit ihnen zu tun? Und warum erinnert Profilerin Hanne sich an keine Ermittlungsergebnisse? Die Einwohner des kleinen trostlosen Omberg, das mitten zwischen dunklen Kiefernwäldern liegt, halten sich bedeckt. Doch niemand, nicht einmal die Polizei, kann der Wahrheit entkommen, die sich nach jahrelangem Schweigen bahnbricht…

Autorin (Quelle: Amazon)
Camilla Grebe, geboren 1968 in Älvsjö in der Nähe von Stockholm. Sie studierte an der Stockholm School of Economics, hat den Hörbuchverlag »StorySide« gegründet und betreibt ein Beratungsunternehmen. Gemeinsam mit ihrer Schwester schrieb sie die erfolgreiche Krimi-Reihe um die Stockholmer Psychotherapeutin Siri Bergman. »Wenn das Eis bricht« war ihr erster eigener Roman, der für seine einzigartige Stimme in der Presse hochgelobt wurde. »Tagebuch meines Verschwindens« wurde mit dem Skandinavischen Krimipreis ausgezeichnet. Camilla Grebe lebt mit ihrer Familie in Stockholm.

Allgemeines
Zweiter Band um die Profilerin Hanne
Titel der Originalausgabe: „Husdjuret“, ins Deutsche übersetzt von Gabriele Haefs
Erschienen am 9. September beim btb Verlag als broschiertes TB mit 608 Seiten
Gliederung: Prolog (2009) – Hauptteil (Winter 2017) – Epilog (Frühjahr 2018)
Ich-Erzählung, kapitelweise abwechselnd von Malin, Hanne und Jake
Handlungsort und -zeit: Ormberg (fiktives schwedisches Dorf), 2009 bis 2018

Inhalt
Im Jahr 2009 finden die Jugendliche Malin und ihre Freunde bei einem Bierumtrunk im Wald bei Ormberg die skelettierten Überreste eines Kindes. 2017, Malin arbeitet inzwischen bei der Polizei, wird am selben Ort die Leiche einer unbekannten Frau gefunden, in der Nähe des Tatorts wird die Profilerin Hanne, die offenbar an beginnender Demenz leidet, völlig verwirrt aufgegriffen. Sie gibt an, mit ihrem Kollegen Peter eine Spur verfolgt zu haben, kann sich jedoch an nichts erinnern und Peter ist spurlos verschwunden.
Die beiden im Wald gefundenen Toten scheinen einen Bezug zum örtlichen Flüchtlingsheim, in dem Anfang der Neunzigerjahre bosnische Flüchtlinge untergebracht waren, zu haben, doch was ist mit Peter passiert? Sind Hanne und Peter dem Täter zu nah gekommen?

Beurteilung
Im ersten Drittel des Kriminalromans, in dem die Handlung noch eher spannungsarm verläuft, werden die drei Ich-Erzähler, die abwechselnd über die Geschehnisse in Ormberg berichten, detailliert vorgestellt. Malin hat Ormberg, das sie immer als beengend empfunden hat, nach ihrer Schulzeit verlassen und arbeitet in Katrineholm, sie wird aber für den aktuellen Fall nach Ormberg entsandt, weil sie sich dort auskennt. Hanne ist eine talentierte Profilerin, deren Verstand jedoch zunehmend durch eine beginnende Demenz getrübt wird. Da nicht einmal sie selbst sich auf ihre Erinnerungen verlassen kann, hält sie die Ermittlungen in ihrem Tagebuch fest. Leider hat sie dieses Tagebuch im Wald verloren, wo es der fünfzehnjährige Jake gefunden hat, der auf diese Weise in den Fall verwickelt wird.
Der Kriminalfall ist komplex konstruiert und beschäftigt sich mit dem Thema „Flucht“ in der Vergangenheit (1993) und in der Gegenwart sowie mit der diesbezüglichen Reaktion der schwedischen Dorfbewohner, die in einem verarmten Ort leben, in dem es keine Industrie mehr, dafür aber eine hohe Arbeitslosigkeit gibt. Die Romanfiguren werden in ihren Charakteren differenziert und ohne Schwarzweiß-Malerei dargestellt, ihre unterschiedlichen Einstellungen den Flüchtlingen gegenüber sind problemlos nachvollziehbar.
Im Verlauf des Romans steigt die Spannung, sodass man das Buch nach einem etwas zähen Beginn ungern aus der Hand legt. Die Schilderung des Dorfes und des Waldes im Winter ist sehr atmosphärisch und anschaulich. Die Auflösung ist nicht zu früh absehbar, am Ende gibt es sogar für die Leser, die quasi „in die richtige Richtung ermittelt“ haben, eine gelungene Überraschung.
Einige Tatumstände wirken nicht vollkommen glaubwürdig, das tut der Unterhaltung jedoch keinen Abbruch.

Fazit
Ein bedrückender Kriminalfall, der auch Leser ohne Kenntnis des ersten Bandes „Wenn das Eis bricht“ gut unterhält!