Begegnung mit der Todesfee

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Als Lucy auf der Geburtstagsparty ihrer Schwester Priscilla das erste Mal die Anwesenheit der Todesfee spürt, erschrickt sie nicht. Ihr Vater hat ihr vor einiger Zeit den Unterschied zwischen Sterben und dem Tod erklärt. Diese Worte der Ruhe führten sie auch später noch sicher durch die Verluste, die sie erleiden wird. Nur einen Tag später wird Sergeant Houston von einem Landstreicher erschossen. Lucy, ihren beiden Schwestern und ihrer Mutter müssen nun ohne den geliebten Vater und Ehemann weitermachen. Zwölf Jahre später erliegt die Mutter ihrem Krebsleiden. Auch die drei Töchter haben mit den entarteten Zellen zu kämpfen. Ihr Leben wird fortan nur noch in 6-Monats-Abschnitte eingeteilt. Gerade in einer solchen Situation wünscht man sich für die Hauptfigur eine starke Schulter zum Anlehnen. Doch diese verliert ihr Herz an Mickey Chandler, der unter einer bipolaren Störung leidet. Seine manischen Stimmungsschwankungen kommen heftig und Lucy muss lernen, nicht nur auf sich, sondern auch auf ihren Mann aufzupassen. Ein Kind wäre für die beiden eine zu große Verantwortung. Darüber sind sich beide einig. Doch das Wunder passiert und Lucy wird trotz aller medizinischen Vorkehrungen schwanger. Zeitgleich entdeckt ihre Ärztin erneut eine Anomalie im Brustgewebe. Der Verzicht auf die lebenserhaltenden Medikamente ist zugleich die Chance für die Geburt einer gesunden Tochter.

Die amerikanische Autorin Ka Hancock wagt sich mit ihrem Debüt an ein sehr emotionales Thema. Leben und Tod gehören untrennbar zusammen. Die Krebserkrankung, die offenbar bei allen Familienmitgliedern auftritt, wird keinesfalls nur als Schlusspunkt dargestellt, sondern eher als Wendepunkt. Der ausschweifende Erzählstil lässt bereits nach wenigen Seiten Empathie für die Figuren aufkommen. Das Kleinstadtleben in Brinley und die Zeichnungen der Einwohner erfüllen zwar sämtliche Klischees, verdeutlichen so allerdings auch schneller, um was es der Autorin geht. Sie verknüpft das Leben mit dem Tod und die Liebe mit dem Schmerz. Trotz dieser gefühlsmäßig sehr belastenden Ausgangssituation meistern die Figuren ihre Leben und schaffen sich sogar Raum für Erfüllung. Um das Einfühlen für den Leser noch einfacher zu gestalten, lässt sie Lucy und Mickey abwechselnd in Ich-Form über das Erlebte berichten.

Das Zusammenspiel der einzelnen Charaktere ist sehr intensiv geschildert. Jedes Familienmitglied hat seine Aufgabe und erfüllt sie mit ihren besonderen Eigenschaften, damit am Ende ein harmonisches Handeln entsteht. Die drei Schwestern gehen mit ihren Erkrankungen unterschiedlich um und richten ihr Leben nach ihren Bedürfnissen aus. Zwar liegt der Fokus in diesem Roman auf dem Ehepaar, doch ergibt die Geschichte ein Gesamtbild des kurzen Lebens von Lucy. Wie in Watte verpackt erscheinen mir ihre Aktionen und genauso sanft sind ihre Diskussionen. Eine einfache Lösung liegt förmlich in greifbarer Nähe, egal wie schwierig das Problem erscheint. Gerade zum Ende hin haben die Figuren ihre Gefühlswelt vorbildlich im Griff und beeindrucken durch weise Entscheidungen. Der Tanz auf Glasscherben ist auch hier der Metapher zum Umgang untereinander. Manche Materialien müssen halt genauso vorsichtig behandelt werden wie Gefühle, damit sie nicht zerstört werden.