Krimi in süditalienischer Hitze

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Zur Handlung: Elena, deutsch-italienische Fotografin gerät mehr zufällig in einen rätselhaften Todesfall hinein. Sie findet einen Toten, der spektakulär in einer verfallenen Kapelle abgelegt worden ist. Da sie im Bekanntenkreis des Toten, eines fanatischen Pizzica-Musikers, unauffällig Erkundigungen einziehen kann, wird sie für den zuständigen Commissario Cozzoli zur wertvollen Hilfe. Immer tiefer gerät sie dabei in die Vorgeschichte des toten Nicola hinein und findet immer mehr über sein Leben heraus. Im Verlauf der weiteren Handlung werden unzählige Fädchen aufgenommen und akribisch verfolgt, immer wieder verlaufen sie ins Leere, obwohl alle am Anfang vielversprechend beginnen.
Der dünn gedruckte Untertitel "Ein Apulien-Krimi" verrät: es geht hier nicht nur um die Lösung eines Kriminalfalles, sondern es wird eine Geschichte aus Süditalien erzählt. Die mörderische Hitze wird spürbar, fast hört man die "Ape" (das sind diese dreirädrigen Mini-Transporter) knattern. Die Atmosphäre und Lebensart Apuliens wird von Kirsten Wulf liebevoll und stimmig erlebbar gemacht, man taucht selbst ein in diese südliche Welt. Aber es ist keiner der Regionalkrimis, bei dem eine schlechte Story durch regionale Bezüge kaschiert werden soll. Auch die Handlung des Krimis ist flüssig und logisch aufgebaut, wie eine Zwiebel wird der Verstorbene - ist er ermordet worden oder war es ein Unfall? - abgeschält, jede Haut eine Facette seines Lebens. Es zeigt sich, dass keiner der Verwandten oder Freunde jede Seite des Menschen Nicola Capone kannten, er hat in verschiedenen Welten gelebt, die wenig Verbindungen miteinander hatten. Die einzelnen Personen sind stimmig und interessant geschildert und handeln und reden glaubwürdig. Spannend waren für mich immer wieder die leicht mystisch angehauchten Erzählteile von Tarantate und Pizzica und ihre Betrachtungsweise durch die handelnden Personen. Leicht überzogen fand ich die deutsche Chefredakteurin Angela M. Brunkhorst, die zu extrem albern dargestellt ist, um glaubwürdig zu sein.
Sprachlich sicherlich nicht unter "Literatur" einzuordnen, schafft es Kirsten Wulf aber, interessant und nicht banal zu erzählen. Die eingestreuten italienischen Sprachbrocken machen den Krimi authentisch und verstärken die Apulien-Atmosphäre. Ein paar Rechtschreibfehler sind übersehen worden und könnten vielleicht vor der zweiten Auflage noch korrigiert werden.
Noch eine Anmerkung zum Titelbild: eine schöne italienische Küstenstadt; doch geht es hier nicht um den Urlaub am Meer, sondern vielmehr um diese spezielle Musikform des Pizzica. Aber man nimmt das Buch gerne in die Hand, wenn man eine so schöne Fotografie sieht.
Insgesamt ist das Buch allemal lesenswert für Krimifreunde, die auch der italienischen Lebensart zugeneigt sind. Wer auf der Suche nach Action und atemloser Spannung ist, ist hier schlecht beraten, hier geht es eher um das Aufdröseln von Beziehungen und alten Familiengeschichten.
Die Geschichte soll der Auftakt zu einer neuen Krimiserie werden - man darf also auf Fortsetzung hoffen!