Desillusioniert

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
sosmer Avatar

Von

Tasmanien von Paolo Giordano ist ein Buch, das mich mit gemischten Gefühlen zurückgelassen hat.

Der Held, oder besser Antiheld dieser Geschichte heißt wie sein Schöpfer Paolo, ist auch Physiker und in seinen Dreissigern. Immer wieder habe ich mich dabei ertappt, zu überlegen, wieviel Fiktion und wieviel Biographie ist.

Paolo ist irgendwie in eine verfrühte Midlife Crisis geraten, sein Kinderwunsch ist entgültig gescheitert und der Job ist auch nicht mehr spannend. Seinen Freunden geht es ähnlich, gescheiterte Beziehungen, Probleme im Beruf bestimmen auch hier den Alltag.

Giordano hat seinen Roman zwischen 2016 und 2020 angesiedelt und über allem hängt die Bedrohung des sich abzeichnenden Klimawandels, der das Leben und Denken der Protagonisten bestimmt, ohne dass sie konkret etwas dagegen beitragen. Und in diesem Zusammenhang taucht auch Tasmanien auf, weil es in idealer Ort ist, um den Klimawandel zu überlegen; weit genug südlich, dass es nicht zu heiß wird und eine Insel, die man gegebenenfalls gegen Eindringlinge verteidigen kann.

Ingesamt finde ich das Buch sehr lesenswert, es gibt einen zum Teil sehr intimen Einblick in die Gedanken und Ängste seines Protagonisten. Man kann sich sehr gut in Paolo hinein versetzen, seine eher halbherzigen Bemühungen ein Buch über die Atombombe zu schreiben. Seine Beschreibung der Bombadierung von Nagasaki und Hiroshima und die Begegnung mit einem alten Herren, der die Katastrophe überlebthat, gehören zweifellos zu den intensivsten und berührendsten Szenen des Buches.
Häufig habe ich in Gedanken Paolo allerdings auch zugerufen, Mann jetzt reiß` dich mal zusammen und mach etwas konstruktives aus deinem Leben.

Insgesamt eine große Leseempfehlung.