Viele Schauplätze, viele Katastrophen

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"Ich schreibe über alles, was mich zum Weinen gebracht hat", sagt der Protagonist am Schluss des Buches, um damit zu begründen, warum er dabei ist, ein Buch über die Atombombe zu verfassen. Dieser Satz könnte aber genauso gut als Motto über dem gesamten Buch stehen. Der Schriftsteller Paolo Giordano erweckt den Anschein, über weite Strecken mit dem Ich-Erzähler identisch zu sein. Wie dieser ist er Physiker, der die Naturwissenschaft gegen das Schreiben von Zeitungsartikeln und Büchern eingetauscht hat und für Recherchen herumreist. Wie dieser kommt er aus Turin und hat am 19. Dezember Geburtstag.
In "Tasmanien" erzählt er nun von vielen Begegnungen, die er bei seinen unsteten Reisen hat, und von kleinen und großen weltpolitischen und zwischenmenschlichen Katastrophen. Ausgehend von den Anschlägen des IS im Pariser Bataclan erwähnt er in der Folge jeden weiteren islamistischen Anschlag, wenn auch manchmal nur in einem kurzen Abschnitt. Dadurch jedoch entsteht eine Atmosphäre von latenter Angst und Verunsicherung, zumal der Autor diese Ereignisse geschickt verknüpft mit dem Erleben seines Protagonisten und dem seiner Familie und seiner Freunde. Auf diese Weise gibt es eine Fülle von Dingen, die einen Menschen zum Weinen bringen könnten: ein unerfüllter Kinderwunsch, zerrüttete Ehen, Sorgerechtsstreitigkeiten, zerbrechende Freundschaften, Terrorismus, die Auswirkungen der Atombomben in Hiroshima und Nagasaki, Folgen von Umweltverschmutzung u.a..
Ein roter Faden ist bei dieser Vielzahl der angerissenen Themen und Schauplätze immer das Buch über die Atombombe, das der Protagonist schreiben will, und der sich verschärfende Klimawandel. Diese beiden Themen werden an vielen Stellen aufgegriffen und bilden damit einen Kontrapunkt zu den vielen persönlichen/ zwischenmenschlichen Problemen und Herausforderungen.
Letztlich ist "Tasmanien" ein Buch über unerfüllte Lebensträume und über das Unbehaustsein in einer unberechenbaren und unsicheren Welt. Denn der ich-Erzähler ist ein Getriebener, der nirgendwo ankommt.
Trotz der Überfülle an angeschnittenen Themen habe ich das Buch gern und sehr schnell durchgelesen, obwohl ich anfangs andere Erwartungen hatte. Dennoch kann ich es eindeutig weiterempfehlen. Immer wieder habe ich überlegt, wie autobiographisch sein Buch wohl ist Ich hätte "Paolo" auch gern sein Tasmanien gewünscht.