Zwischen Glanz und Abgrund

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Emily Dunlays Roman eröffnet mit einer eindringlichen und atmosphärisch dichten Szene, in der sich die Protagonistin Teddy Shepard am Rand eines persönlichen und gesellschaftlichen Abgrunds befindet. Bereits der erste Satz – „Morgen oder spätestens übermorgen wird jeder wissen, was ich getan habe“ – zieht die Leser*in in den Bann eines drohenden Skandals. Mit einer kunstvollen Mischung aus Rückblick und Gegenwart entfaltet sich die Geschichte einer Frau, deren Leben zwischen gesellschaftlichem Erwartungsdruck, persönlichen Ambitionen und geheimen Abgründen zerrieben wird.

Die Sprache der Leseprobe ist präzise, vielschichtig und oft ironisch gebrochen – eine Erzählstimme, die zugleich verletzlich und messerscharf ist. Teddy offenbart sich als komplexe Figur: glamourös, intelligent, melancholisch, manchmal selbstzerstörerisch. Ihre Reflexionen über gesellschaftliche Konventionen, Ehe, Familie und Weiblichkeit in den späten 1960er-Jahren wirken nicht nur historisch authentisch, sondern auch heute noch relevant.

Besonders eindrücklich ist, wie Dunlay eine dichte psychologische Spannung aufbaut, ohne gleich alle Karten offenzulegen. Die Dialoge mit den Ermittlern, die Erinnerung an die unglamouröse Hochzeit, die angedeuteten Verletzungen – all das wirkt wie das Aufziehen eines Gewitters, das sich unaufhaltsam ankündigt. In jedem Detail scheint sich das Drama eines Lebens zu verdichten, das viel mehr verspricht als es halten kann.

Diese Leseprobe macht neugierig auf die ganze Geschichte – nicht nur wegen der offenen Fragen rund um das, was „geschehen“ ist, sondern vor allem wegen der fesselnden, vielschichtigen Hauptfigur, deren Lebensentwurf zwischen Rebellion und Anpassung schwankt.