solide Unterhaltung

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Schillernd glamourös, außergewöhnlich begehrt und kultiviert oder doch lieber eine aufgeräumte, brave Ehefrau und Mutter? Die Mittdreißigerin Teddy, unsere Hauptfigur in Emily Dunlays gleichnamigem Roman, ist hin- und hergerissen, sehnt sich nach rauschenden Partys mit Starlets und gesellschaftlicher Anerkennung, nach Freiheit, doch will sie auch einen Mann zum Heiraten finden, sesshaft werden mit Haus, Kindern und einem Hund und damit den Erwartungen ihrer texanischen Politikerfamilie gerecht werden.

„Ich wollte wirklich dieser Mensch sein: eine Frau, der er vertrauen und die er lieben konnte, eine Gefährtin, eine Gehilfin […] Und deshalb schwor ich, mich zu bessern.“

„Alles Gute ist wild und frei.“ Tante Sister

Dass das zügellose Leben für eine unverheiratete Frau in den 50er und 60er Jahren im konservativen Texas nicht gut ausgeht, hat Teddy an ihrer Tante Sister miterleben können, die zwar immer von wilden Partys, aufregenden Reisen und skurrilen Bekanntschaften berichtete, aber dann durch Onkel Hal, um Skandale zu vermeiden, von der Bildfläche verschwand. Teddy, die zwischen Partys, Affären und dem Leben als fleißige, reine Studentin kein rechtes Maß findet, flüchtet sich schließlich in die scheinbare Sicherheit einer Ehe mit Botschaftsmitarbeiter David. In Rom malt sich Teddy ein neues Leben ohne Schwierigkeiten aus, ein Leben als kultivierte, elegante Ehefrau auf gesellschaftlichem Parkett. Doch ihre dunkle Vergangenheit und ihre vergrabenen Leichen folgen ihr nach Europa.

„Ich hasste es, wenn jemand mich das fragte. Als ob ich jemals gewusst hätte, was ich tat, bevor ich es tat, und als ob mich das Wissen jemals davon abgehalten hätte. Die meiste Zeit dachte ich nicht nach. Ich rannte. Ich versteckte mich.“

Dass ihre Verfehlungen sie eingeholt haben, wissen wir bereits ab der ersten Seite. Teddy wird von Ermittlern über ihre Liaisons, ihr halbes Jahr mit David und die Zeit in Rom ausgefragt. In Rückblicken erfahren wir aus der Ich-Perspektive von ihren Fehltritten, aber auch von ihrem Wunsch, alles richtig zu machen. Mit ihren Muntermacher-Pillen gelingt ihr auch zeitweise, David eine gute Ehefrau zu sein, doch ihre Zügellosigkeit, Impulsivität und Unbeherrschtheit brechen immer wieder durch und führen sie auf Abwege, in politische Verstrickungen.

„Aber in Wahrheit bin ich nicht paranoid genug gewesen. Ich hatte schon immer die schlechte Angewohnheit, andere Menschen beim Wort zu nehmen und davon auszugehen, dass ich der einzige Wolf im Schafpelz bin. Das hat mir schon mein ganzes Leben lang allerhand Angst und Schuldgefühle bereitet, aber jetzt habe ich all den Schafen in meiner Herde unter den Pelz geschaut, und ich kann mit einiger Sicherheit sagen, dass darunter doch meistens Wölfe steckten.“

Mir haben Story und Setting grundsätzlich sehr gefallen, auch das Ende, die Auflösung der Verstrickungen wird spannend erzählt, jedoch finde ich gerade in der ersten Hälfte Teddys ausschweifende Rückblicke und Gedanken sehr anstrengend. Aufgrund der einseitigen, unzuverlässigen Erzählperspektive kann man sich als Leser*in auch nie sicher sein, ob Teddy tatsächlich so naiv und dumm ist, sich selbst so gut belügt oder ob sie alles nur vorgibt, um sich aus der Affäre zu ziehen. Teilweise empfand ich auch deswegen eher eine Distanz zur Figur. Dunlay verdeutlicht allerdings sehr gut, dass Teddy keine freie Frau trotz der finanziellen Rücklagen ihrer Familie ist, weswegen sie eine Fassade errichtet, hinter der sie ihre wahre Natur verbirgt. Die Autorin hat vor allem auch den Ton der Zeit gegenüber Frauen besonders in dieser sozialen Schicht glaubhaft wiedergegeben, indem Frauen häufig mehr als törichte Kinder denn als gleichwertige Partner betrachtet, sie aus Männersicht zu folgsamen Ehefrauen erzogen werden. Insbesondere das Schicksal von Tante Sister hat mich sehr getroffen.

Fazit

Ein Roman über die steten Versuche und das wiederholte Scheitern von Frauen, Rollenerwartungen der 60er Jahre zu entsprechen, und über ihren Weg, sich selbst zu verwirklichen, eingeflochten in politische Machenschaften zu Zeiten des Kalten Krieges mit Glamourfaktor. Hätte ich mich mehr mit Teddy verbunden fühlen können, wäre es eine sehr ausgefallene Geschichte. Trotzdem: solide Unterhaltung.