Spannendes Drama mit zwischenmenschlichen Abgründen

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sokapian Avatar

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Schon ihr Leben lang läuft Teddy - Mitte 30, aus gutem, einflussreichen Hause - einem Ideal hinterher, dass sie partout nicht erreicht: Sie möchte eine gute Frau sein - und zwar eine wie es Ende der 60er Jahre noch Realität war. Eine gute Hausfrau, ihrem Mann ergeben, aufopferungsvoll. In der Vergangenheit hat Teddy das nicht geschafft. Nun möchte sie einen neuen Anlauf nehmen: Mit ihrem Ehemann David, der seit Kurzem in der amerikanischen Botschaft in Rom arbeitet, zieht sie nach Italien. Ein Neuanfang für Teddy, der allerdings nicht lange anhält und wenn man ehrlich ist, nie richtig begonnen hat. Ihre Vergangenheit holt sie ein und ihre Familiengeschichte gerät ins Wanken.

"Teddy" zu lesen war jedes Mal wie ein Treffen mit einer neuen Bekannten, die ein dunkles Geheimnis mit sich trägt, das sie nur Stück für Stück Preis gibt. Mit jedem Kapitel neue Andeutungen und ein Stückchen mehr aus Teddys Vergangenheit und ihrer schwierigen, einflussreichen Familie.

Die Geschichte wird immer aus Teddys Perspektive erzählt, wobei Ort und Zeit sich verändern. Mal gibt Teddy Einblicke in ihre Flitterwochen, mal erzählt sie von ihrer Jugend. Besonders bedeutend sind die jüngsten Tage im Juni/Juli 1969, in denen Teddy bereits einige Wochen mit ihrem Mann David in Rom lebt. Sie erzählt, wie sie diese verbracht hat, von Partys und ihrer neuen Aufgabe in der Botschaft und von einem Mann aus ihrer Vergangenheit, der alles ins Wanken bringt. Besonderes Interesse an den Geschehnissen dieser Tagen haben amerikanische Agenten, die Teddy zu den jüngsten Ereignissen befragen. Welche Ereignisse das sind, erfahren Leserinnen und Leser erst nach und nach und das Ganze Ausmaß offenbart sich erst gegen Ende des Buches.

Durch die Kapitel, in denen die Agenten Teddy befragen, bekommt die Geschichte einen roten Faden. Die Männer stellen Rückfragen, machen Bemerkungen. Anschließend setzt Teddy ihre Geschichte fort, erzählt entweder von den Tagen kurz vor dem Verhör oder schweift in ihre Vergangenheit ab.

Der Roman ist spannend und flüssig geschrieben. Einige Erzählungen über Tante Sister empfand ich als etwas holprig und zu gewollt. Sie spielt in dem Roman eine vermeintlich zentrale bzw. für die Protagonistin bedeutende Rolle. Manchmal wirkt die Rolle von Tante Sister allerdings zu konzipiert.

Erstaunlich finde ich, dass ich keine der auftretenden Figuren besonders sympathisch fand und dennoch immer wieder mitgefiebert habe. Die Figuren - insbesondere Teddys Familie aber auch der Botschafter - geben vor vieles zu sein, was sie tatsächlich nicht sind. Teddys Geschichte ist auch eine Geschichte von zwischenmenschlichen Abgründen.

Teddy selbst kommt sehr naiv daher, insbesondere wenn es ums Zwischenmenschliche geht. Lediglich wenn sie über Kunst spricht, bekommt man den Eindruck, dass mehr in der Protagonistin steckt. Ich habe immer wieder auf den großen Clou gewartet, den Teddy durchzieht, um mich dann wieder zu fragen: Ist sie wirklich so naiv?

Der Roman "Teddy" erzählt viele Geschichten: vom Schein und Sein, von Politik und Diplomatenleben, aber ganz besonders von einer Frau, die mit viel Leichtgläubigkeit, Schminke, Kunstverständnis und Muntermacherpillen einem Ideal hinterher rennt, das sie vielleicht nie erreichen wird. Ein lesenswertes Drama.