Tolles Debut

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janina_el Avatar

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In „Teddy“ von Emily Dunlay verfolgen wir das Leben von Teddy Huntley Carlyle im Sommer 1969 in Rom mit Fokus auf Anfang Juli und einigen Rückblicken auf vergangene Jahre, Monate oder Tage. Aufgewachsen in Dallas, Texas in einer sehr wohlhabenden, konservativen und einflussreichen Familie war sie froh, noch vor ihrem 35. Geburtstag David zu heiraten, einen Mann, den sie noch nicht lang kannte, aber für den sie nach der Hochzeit nach Rom zog, wo er in der amerikanischen Botschaft arbeitet. Wir lernen weitere Charaktere und Details kennen, u.a. Botschaftsmitarbeiter und den Wolf, Davids Chef und aspirierender Präsident, aber auch Menschen aus Teddys Vergangenheit, wie ihre Tante Sister oder einen ehemaligen russischen Liebhaber, Jewgeni/Eugene Larin, aber vor allem lernen wir mehr über die Ich-Erzählerin Teddy. Sie befindet sich in einer Art Verhör, über das wir am Ende erst erfahren, worum es sich tatsächlich handelt. Jedenfalls erzählt Teddy sehr ausschweifend und ausführlich mit viel Introspektive über ihr Leben vor und in Rom, was auf mich als Leserin schon fast tagebuchartig wirkte.
Was ich anfangs sehr unterhaltsam fand und mich schnell in die Geschichte reinkommen ließ, waren der wirklich ausschweifende und „stream of consciousness“-mäßige Erzählstil der Protagonistin und Erzählerin, die gerne diverse Ablenkungen und Abbiegungen nimmt, wenn sie von Ereignissen erzählt und sich in Details verliert. Oftmals wird lange und sehr genau beschrieben, was Teddy oder andere Personen trugen oder ihre vermeintlich unwichtigen Tätigkeiten, während mich als Leserin wirklich brennend interessierte, was denn bitte Anfang Juli geschah. Wirklich detailliert wurde es auch, wenn es um die Kunst und Kultur ging, vor allem in Italien, was ich aber ehrlich gesagt sehr interessant fand und half, dieses Dolce Vita Feeling der 60er Jahre irgendwie sehr gut zu vermitteln. Abgesehen davon wurde ich aber schon beinahe so ungeduldig, wie die Verhörer von Teddy. An manchen Punkten schwenkte meine Ungeduld auch in latentes Genervtsein um. Das ist auch einer der wenigen Kritikpunkte, die ich an dem Roman habe: das Stilmittel, dass so charakteristisch für die Protagonistin und den Erzählstil ist, diese Langatmigkeit und ewigen Ausschweifungen, haben mir weite Teile gut gefallen, aber waren für mich am Ende doch etwas zu viel und lang. Außerdem wurden viele Dinge, Erzählungen, Beschreibungen mehrmals wiederholt, was vielleicht gut zum Charakter der Erzählerin passt, mich aber im Endeffekt immer mehr gestört und genervt hat. Vor allem beim Mittelteil des Romans musste ich mich teilweise wirklich zwingen, weiterzulesen, weil ich hoffte, dass es sich lohnen wird und ich unbedingt das Buch zu Ende bringen wollte und auch wissen wollte, was geschah und wie es für Teddy ausgeht.
Obwohl ich Teddy stellenweise wirklich nicht mochte, was vielleicht wirklich dem zuvor genannten Genervtsein von ihrer Erzählart geschuldet ist, und ich sie manchmal zu naiv und abhängig und unselbstständig und oberflächlich empfand, wünschte ich mir trotzdem unbedingt ein glückliches Ende für sie und hoffte auf eine Art Gerechtigkeit in dieser stark patriarchal geprägten Zeit. Wirkliche Abneigung gegen sie empfand ich nie, ganz anders den Männern in dieser Geschichte gegenüber: Hal, David, der Wolf, Jewgeni/Eugene, Mauro und auch die Verhörer. Ich hatte auch nichts gegen Teddys Charakter, sondern fand eher abscheulich, in was für einer Welt und mit welchen Werten sie großgezogen wurde. In dem Sinne empfand ich ihre Entwicklung und ihren Charakter eher bewundernswert, wenn man bedenkt, mit was für Einflüssen sie aufwuchs und zu welcher Art Frau sie sich auch hätte entwickeln können. Leider war Teddys Selbstbewusstsein nicht gut genug, um das zu sehen und mit ihren Wünschen, Bedürfnissen und Taten gut zu leben und dazu zu stehen, wie sie ihr Leben lebt oder gerne leben würde. Und das ist eine Tatsache, die ich als Frau selbst in der heutigen Gesellschaft noch sehr gut nachvollziehen und mitfühlen kann und daher als besonders tragisch empfinde.
Umso überraschender fand ich das Ende des Romans und vor allem den Epilog. Woher kamen auf einmal der Sinneswandel und die komplette Lebensumstellung? Auch ihre Art zu erzählen, wirkte entspannter und sie hielt sich nicht länger mit unnötigen Details auf, sondern ließ essenzielle Details (Verbleib von David oder ihr Aufenthaltsort) sogar einfach offen. Ist Teddy überhaupt eine vertrauensvolle Erzählerin...?