Zwischen Naivität und Intelligenz

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reishimura Avatar

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Es gibt Bücher, von denen man sich ganz viel erwartet, entweder weil man schon viel zu lange auf ein neues Buch eines bestimmten Autors oder einer bestimmten Autorin wartet oder weil das Buch herausragende Kritiken bekommen hat. Und dann gibt es Bücher, von denen man nichts erwartet, nicht man vermutet, dass sie schlecht sind. Sondern weil man sich einfach vor dem Lesen keinen Kopf gemacht hat. Das Buch klingt interessant und das lese ich jetzt, basta. Genau in diese Kategorie fiel "Teddy" für mich.
Gleich zu Beginn wird man mitten in die Geschichte hineinkatapultiert. Es gibt kein großes Vorgeplänkel, sondern man ist von Anfang an mittendrin statt nur dabei. Man erfährt, dass etwas schreckliches passiert sein muss, aber die genauen Details bleiben einem bis zum Schluss verborgen. Denn Teddy erzählt ihre Geschichte in äußerst ausführlicher Weise und dies nicht immer chronologisch. Wie es oft so ist, wenn man eine Geschichte erzählt, fällt einem während des Erzählens etwas ein, eine Begebenheit, die noch weiter in der Vergangenheit liegt, die aber für das Verständnis des Gesamtbildes wichtig ist.
Autorin Emily Dunlay verflechtet in ihrem Roman fiktive Ereignisse so wunderbar mit realen Begebenheiten, dass ich mehrmals während des Hörens des Buches zu Googlen begonnen habe, ob es sich bei Teddy nicht doch um eine reale Person gehandelt haben könnte. Außerdem nimmt sich die Autorin viel Zeit, um detaillierte Beschreibungen der Örtlichkeiten und der Mode zu liefern. Dies führt an manchen Stellen dazu, dass das Buch ein wenig langatmig wirken könnte. Mich persönlich hat dies allerdings überhaupt nicht gestört, da ich die Mode der 1960iger sehr faszinierend fand und die Fixierung von Teddy auf ihr äußeres Erscheinungsbild ein wichtiger Punkt ihrer Persönlichkeit ist.
Und Teddys Persönlichkeit und ihre Vielschichtigkeit ist es auch was dem Buch das gewisse Etwas verleiht. Auf den ersten Blick wirkt Teddy naiv und dumm, doch schaut man nur ein wenig hinter die Kulissen erkennt man eine durchaus intelligente und fortschrittliche Frau. Doch sie ist auch eine Zerrissene, ein Spielball der Männer. Emily Dunlay hat hier ein wunderbares und sehr realistisches Bild der Frauen der Zeit gezeichnet. Die damaligen Geschlechterrollen werden in diesem Buch sehr anschaulich erörtert und an manchen Stellen auch hinterfragt. Ebenso sieht man wie wichtig die gesellschaftliche Stellung in dieser Zeit war. Die Frage, ob Teddy eine sympathische Figur ist, kann ich auch nach Beendigung des Buches nicht beantworten. Wobei dies für mich persönlich auch keine große Rolle spielt. Was ich aber klar sagen kann ist, dass es sich um eine vielschichtige und teilweise auch widersprüchliche Heldin handelt.
Gesprochen wird das Hörbuch von Cathlen Gawlich, auch sie war für mich bis dato eine Unbekannte. Auch wenn es vielleicht komisch klingen mag, aber für mich hat ihre Stimme dem Buch noch eine extra Portion Glamour verpasst. Eigentlich bevorzuge ich ja Bücher gegenüber Hörbüchern, wobei ich letzteres immer mehr zu lieben beginne. Mittlerweile habe ich auch festgesellt, dass es Geschichten gibt, die als Hörbuch besser wirken und dank Cathlen Gawlich ist dies eines von diesen.
Für mich war "Teddy" definitiv eine positive Überraschung und ich hoffe, dass ich in Zukunft wieder einmal etwas von Emily Dunlay lesen darf.