Eintauchen ins Jahr 1969

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tefelz Avatar

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Man merkt dem Buch an, dass es von 3 Journalisten geschrieben wurden, die wissen, wie man richtig recherchiert und die Zeit von 1969 heraufbeschwört. Wolf Heller hatte den Auftrag die Wohnung eines Jüdischen Richters zu überwachen, der eine Morddrohung erhalten hat, doch trotz der Überwachung wird die Frau des Richters umgebracht. Das in einer Zeit, in der in Deutschland das jüdische Thema noch sehr heikel war...und die radikalen Linken an jeder Ecke eine Wohnung besetzt hielten.

Privat läuft es bei Heller auch richtig kompliziert.. Seine Frau hat Krebs und 2 kleine Kinder um die er sich so gut wie möglich kümmern soll. Seine Schwester ist tief in der linken Szene verwurzelt, was so das ein oder andere Problem mit einem Polizisten als Bruder nach sich zieht. Mit der Nichte des zu überwachenden Richters hatte er früher eine Affaire und diese Nichte ist der festen Überzeugung, den Mörder Ihrer Tante finden zu müssen und fragt sich warum Ihr Onkel nicht alles in seiner Macht stehende veranlasst, der Mörder seiner Frau zu fassen und entdeckt das ein oder andere Familiengeheimnis....

Das Buch hat von Anfang an eine enorme Fahrt aufgenommen und ehe man sich versieht, klebt man auch schon in der Zeit fest und erinnert sich wage an die komplizierten Selbstfindungsversuche eines Volkes, das nach 2 Kriegen nicht weiß, gegen wen oder für was es sich zu rebellieren lohnt. Drogen, freie Liebe, Hausbesetzung, Molotow-Coktails, generell gegen Bullen zu sein und einen Hang zum Kommunismus, versetzen den Leser in eine wahrhaft chaotische Zeit und wer glaubt, aktuell sei alles chaotisch, der findet hier den Gegenbeweis, dass es alles schon mal in schlimmer gab.

Der Schreibstil ist wunderbar und sehr flüssig und mit Heller hat man einen Antihelden geschaffen, der trotzdem durch seinen geraden Charakter und seinem Sinn für Gerechtigkeit, ein absoluter Sympathieträger ist. Der Roman entspringt eine Generation vor meiner Zeit und ist für mich sehr lehrreich, denn ich konnte mit den damaligen Erzählungen meiner Eltern nichts anfangen und hatte mich auch gar nicht dafür interessiert. Hier als Kriminalroman aufgebaut, offenbart es speziell am Beispiel von Hellers Schwester, einerseits die Hilfsbereitschaft und Normalität aber auch den aufkommenden Willen zur Rebellion, der bis zur Gleichgültigkeit gegenüber der Familie oder anderen sich steigert, in dem Maße , indem sie glaubt verliebt zu sein und manipuliert wird.

Ein sehr gelungener Roman, der mir gut gefallen hat und den ich bedenkenlos auch empfehlen kann. 4,5 Sterne von mir.