Vielschichtiger politischer Krimi in West-Berlin Ende der 60er Jahre

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Ich muss gestehen, dass mir der Titel und das Cover sofort ins Auge gesprungen sind und ich dieses Buch unbedingt lesen wollte, bevor ich überhaupt den Klappentext kannte. Der Teufelsberg hat für mich in meiner Kindheit und Jugend in den 70er und 80er Jahren eine große Rolle gespielt, und auch heute noch faszinieren mich Geschichten vom Teufelsberg vor allem von damals immer noch. Als ich dann im Klappentext gleich in der 1. Zeile „West-Berlin, Ende der Sechzigerjahre“ gelesen habe, war es keine Frage mehr: Ich MUSS dieses Buch lesen.

Im Juli 1969 observiert Kommissar Wolf Heller schon seit 1 Woche in seinem Karmann Ghia die Villa von Joachim Hirsch, Präsident des Amtsgerichts Tiergarten, und seiner Ehefrau Rebecca in der Reichsstraße, da Joachim Hirsch Morddrohungen der linken Szene erhalten hat. Während der Observation hörte Heller ununterbrochen Babygeschrei aus einem anderen Haus. Als er es nicht mehr ertragen konnte, stieg er kurzerhand aus und stürmte zu der Wohnung, wo das Geschrei herkam. In diesen 17 Minuten, in denen er nicht aufgepasst hat und die ihm nun um die Ohren fliegen, wird Rebecca Hirsch ermordet … Von nun arbeitet Heller mit Louise Mackenzie, der Nichte des Toten, die ins Haus kam und ihre tote Tante aufgefunden hat, eng zusammen.

Es ist der 2. Band des Autorentrios Martin Lutz, Sven Felix Kellerhoff und Uwe Wilhelm. Den 1. Band „Die Tote im Wannsee“ kenne ich bisher noch nicht, das wird aber definitiv nachgeholt! Der Krimi ist sehr vielschichtig aufgebaut, lässt sich durch den angenehmen Schreibstil der Autoren flüssig lesen und taucht tief in die politische Geschichte West-Berlins ein, was mich persönlich sehr interessiert. Ganz besonders hat mir gefallen, dass immer die genauen Orte mit Straßennamen, teilweise sogar mit Hausnummern, Cafénamen oder was auch immer genannt wurden. Ich kannte sämtliche Orte und so war es ein besonderer Genuss, genau zu wissen, wo genau sich immer die jeweilige Handlung abspielte. Auch diese Kleinigkeiten, die wahrscheinlich nur für Berliner/Berlinerinnen interessant sind (z.B. der ehemalige Supermarkt „Bolle“ – wer kennt den auch noch? Oder auch das Café Möhring, wo ich schon früher meine Torten gegessen habe), machten das Buch für mich besonders. Ich habe mich eine ganze Zeitlang gefragt, wo und wie eigentlich der Teufelsberg auftaucht … Dazu möchte ich allerdings nichts schreiben, weil ich sonst spoilern müsste. Nur so viel: Für mich war es gelungen!

Was mich selber etwas gestört hat (was ich aber gar nicht erklären kann, warum das so war), war, dass ich ständig das Gefühl hatte, ich würde in der Gegenwart lesen und dann immer aufgrund der Handlung oder Jahreszahl daran erinnert wurde, dass ich mehr als 50 Jahre zurück in der Vergangenheit bin. Wie gesagt, ich weiß gar nicht, wieso das so war. Das passiert mir normalerweise nicht, wenn ich in historischen Romanen unterwegs bin.

Auf jeden Fall kann ich diesen Krimi jedem empfehlen, der sich für die politische Geschichte von Berlin interessiert. Die Autoren haben sehr gut recherchiert, und besonders toll finde ich das Glossar, wo sehr viel erklärt wird.