Zeitgeschichtlich interessant, aber eine etwas dünne Story

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mrscatastrophy Avatar

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Die jüdische Frau eines Berliner Richters wird ermordet, nicht einmal 25 Jahre nach dem Ende der Shoah. Politik und Ermittlungsbehörden sind alarmiert, im Jahr 1969 ein mögliches antisemitisches Motiv in Deutschland?!
Die amerikanische Nichte des Mordopfers geht nicht davon aus, dass die deutsche Polizei- bedingt durch ihre Geschichte und die Religion des Opfers- den Täter so leicht finden wird, zumal ihr Onkel auch einiges zu verheimlichen hat. Sie beschließt daher, sich selbst auf die Suche nach dem Täter zu machen. Währenddessen verfolgt ein Spion des KGB das Ziel, durch einen Terroranschlag Unsicherheit in Westdeutschland zu verbreiten - und der Kommissar, der in dieser Situation ermitteln soll, hat privat mehr als genug Probleme.

Das Autorenteam entwirft diesen Plot vor dem Hintergrund eines bewegten Jahrs in Deutschland, 1969, ein Jahr nach den Student*innenrevolten, inmitten des Kalten Kriegs, einem Land, in dem Antisemitismus die Gesellschaft nicht in links und rechts trennt, sondern gerade auch in linken Kreisen um sich greift. In bürgerlichen Kreisen, auch das zeigt dieses Buch, war er ebenfalls noch nicht weg.
Diese historische Dimension des Buchs hat mir gefallen. Als Leser*innen erhalten wir einen lebhaften Einblick in eine Zeit, die zwar gerade mal 50 Jahre zurückliegt, für mich als "Millenial" aber nicht mehr erinnerbar ist. Dabei zeigen die Autoren auch, dass die politischen Debatten an vielen Stellen komplexer waren, als wir uns heute erinnern (wollen), bspw. linke Debatten um den Nahostkonflikt oder die Frage, welche Form der Gewalt in welchen Fällen legitim ist - und ob überhaupt.
Der Plot konnte mich aber leider nicht richtig mitreißen. Natürlich ist es gewollt, dass man während des Lesens auch die Perspektive des Täters bereits kennenlernt, das hätte man aber dann in meinen Augen spannender gestalten müssen. So verfolgte ich eher einen etwas "hinterherlaufenden" Kommissar beim Versuch, einen Fall zu lösen, den ich bereits absehen konnte.
Deshalb gibt es von mir 3/5 Sternen, denn wer Interesse an der jüngeren deutschen Geschichte hat, kommt hier definitiv trotzdem auf seine Kosten.