Gefährliche Gaumenfreuden

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buecherfan.wit Avatar

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Tom Hillenbrand legt mit “Teufelsfrucht - Ein kulinarischer Krimi” einen ausgesprochen originellen Debütroman vor.

Xavier Kiefer, dem einstmals eine große Karriere als Sternekoch offen stand, führt ein kleines Restaurant in der Luxemburger Unterstadt. Er hat sich auf die einheimische Küche spezialisiert und keinerlei Ambitionen auf Sterne in einem Restaurantführer. Deshalb ist er sehr erstaunt, als ein Unbekannter sein Lokal betritt, den er für einen Restaurantkritiker hält. Der ziemlich unsympathische Gast isst von einem umfangreichen Menü nur die Vorspeise und fällt dann tot um. Kieffer gerät unter Verdacht. Da der gute Ruf seine Lokals auf dem Spiel steht, beginnt er selbst Nachforschungen anzustellen: in Paris bei Valerie Gabin, der Chefin des Restaurantführers, bei seinem Lehrmeister Paul Boudier, wo Agathon Ricard, sein toter Gast, am Abend zuvor gegessen hatte, bei seinem ehemaligen Kollegen Leonardo Esteban, einem bekannten Fernsehkoch. Paul Boudiers Restaurant ist abgebrannt, er selbst verschwunden. Dann überschlagen sich die Ereignisse. Xavier Kiefer hat durch Vermittlung seines trinkfreudigen Freundes Pekka Vatanen Kontakt zu einem Biologen des Max-Planck-Instituts in der Nähe von Stuttgart aufgenommen, von dem er die geheimnisvolle Frucht, die er in Paul Boudiers Experimentierküche gefunden hat, untersuchen lässt. Eine Spur führt in die Schweiz, und er deckt einen ungeheuren Skandal auf, aber das Wissen, warum die beiden Männer sterben mussten, bringt ihn selbst in höchste Gefahr.

Tom Hillenbrands Roman bietet nicht nur die spannende Lösung eines Kriminalfalles, sondern sehr viel mehr. Es ist auch ein Roman über die Liebe zum Kochen und zum guten Essen, vor allem aber geht es im Zusammenhang mit der als Geschmacksverstärker fungierenden Chatwa-Frucht aus Papua-Neuguinea um die Praktiken der Lebensmittelindustrie, die aus Müll Lebensmittel macht und für die ein Geschmacksverstärker, der die hundertfache Wirkung des bekannten, aber nicht unbedenklichen Natriumglutamat hat, natürlich ein begehrter Artikel ist. Mit Hilfe dieser Teufelsfrucht lassen sich zumindest im Roman kostengünstig wohlschmeckende Fertiggerichte aus minderwertigen Zutaten herstellen. Die Gesundheit der Verbraucher spielt dabei keine Rolle, allein der Profit zählt. Dieser Teil des Romans ist sehr informativ und auch deshalb interessant, weil der Leser bereits bestehende Tendenzen und Praktiken wiedererkennt. Es gibt heute schon Analogkäse ohne jeglichen Milchanteil, Sägespäne mit synthetischem Erdbeergeschmack, Klebefleisch und vieles mehr. Hier übt der Autor für einen Krimi ungewöhnlich deutlich Kritik. Wie brandaktuell der Roman mit dieser Thematik ist, zeigen im übrigen auch die Aktivitäten der Verbraucherorganisation Foodwatch und die vielbeachteten Internetportale  Lebensmittelklarheit.de und Lebensmittelwarnung.de. Hier werden Produkte und ihre Hersteller an die moderne Form des Prangers gestellt, und die verunsicherten Verbraucher können sich über falsche Deklarierung von Inhaltsstoffen und Gefahren für die Gesundheit informieren.   

Neben der aktuellen Thematik gefällt mir vor allem  das liebevoll ausgearbeitete Lokalkolorit mit den landestypischen Speisen (Huesenziwwi, Gromperekichelcher, Bounechlupp usw.), den Fachbegriffen der Kochkunst und nicht zuletzt den vielen Einschüben im luxemburgischen Dialekt, die dem Roman Authentizität verleihen. Ich empfehle “Teufelsfrucht” als gut lesbare, interessante und spannende Lektüre, die Lust auf eine Reise in die Luxemburger Unterstadt macht.