Positive Überraschung

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katzenminze Avatar

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Auf Social Media ist Tess Raabe durch einen Rant über frustrierende Dates viral gegangen. Ihrem Kanal, auf dem sie ihre gesunde Ernährung und ihr Sportprogramm teilt, ihr Dankabrkeitstagebuch befüllt und für Meditatiosapps wirbt, folgen seitdem viele begeisterte Fans. Auch ihr Buch über ihr Datingleben hat sie maximal ästhetisch im Café nebenan bei einem Matcha Latte geschrieben. Tess ist durch und durch ein That Girl! Aber im echten Leben läuft es nicht so rund, wie es online aussieht. Sie zweifelt, sie ist traurig, ihr zweites Buchprojekt kommt nicht voran und auch datingtechnisch läuft es nicht rund. Doch dann trifft sie Leo und fasst leise Hoffnung.
Was mir gefallen hat, waren die vielen feministischen Ansätze, die Gabriella Santos de Lima in ihren Roman eingebaut hat. Tess spricht über die Probleme, die sie mit ihrem Körper hat. Aber auch darüber, dass sie weiß, dass das „Problem“ eigentlich nur in ihren Augen besteht und dass sie sich trotz besseren Wissens schämt. Sie spricht über die Unsitte, als Frau in jeder noch so bescheidenen Situation cool zu sein und sich die Wut zu verbieten, weil man nicht als Zicke, als hysterisch oder als verrückt abgestempelt möchte. Es geht um male gaze, Diäten und Konsens.
Ich mochten ebenfalls die Beschreibung der Freundschaften, die Tess pflegt und die ehrlichen Auszüge voller Selbstzweifel aus ihrem Buch, die immer wieder von der nervtötenden Lektorin Gesa entschärft wurden. Denn ein That Girl kann sich keine Negativität leisten!
Vielleicht merkt man schon, dass die Liebesbeziehung hier nicht komplett im Vordergrund steht, auch wenn sie natürlich einen großen Teil der Handlung einnimmt. Der Fokus liegt aber auf Tess‘ Entwicklung und die fand ich wirklich gelungen.
Ein wenig mehr Social Media hätte es für mich allerdings sein dürfen. Dafür, dass Tess neben dem Bücherschreiben ihr Geld mit ihrem Social Media-Profil verdient, fiel dieser Teil relativ kurz aus. Hier und da ist mal ein Post von ihr beschrieben, aber es wirkt fast so, als kommen die Likes bei ihr von alleine. Dann fand ich Tess‘ Freundin Cora ein wenig überzeichnet, aber nichtsdestotrotz liebenswert.
Mich hat der Roman positiv überrascht: Kein Kitsch aber viel Kritik an Social Media und Selbstoptimierung. Keine Happy-ever-after-Lovestory, dafür ein realistischer Blick in die Datingwelt der Gen Z. Wenig Klischees, dafür Figuren, die im Laufe der Geschichte wachsen und sich entwickeln. Dazu ein unterhaltsamer Ton und eine Story ohne Längen. Hübsch!