Sonderbar und trotzdem besonders

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romy_abroad Avatar

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April führt ein ganz normales Leben: Nach ihrem Studium in Produktdesign ist sie bei einem Start-Up gelandet. Nicht unbedingt ihr Traumjob, aber immerhin kann sie es sich so leisten, weiterhin in Manhatten zu leben. Zwar teilt sie sich ihre Wohnung weiterhin mit ihrer Mitbewohnerin Maya, aber gegen deren Gesellschaft hat sie eh nichts einzuwenden. Als sie eines nachts mal wieder später das Büro verlässt, als sie sollte, entdeckt April eine ungewöhnliche Skulptur, mitten auf dem Gehweg. Beinahe wäre April vorbei gelaufen, doch als Kunstliebhaberin schämt sie sich direkt dafür, wie wenig Aufmerksamkeit sie diesem einzigartigen Werk geschenkt hat. Also ruft sie kurzerhand ihren Freund Andy an – diese Skulptur wäre doch ein tolles Thema für ein Video auf seinem YouTube-Kanal, den er seit einer Weile betreibt. Andy ist zunächst nicht begeistert, lässt sich jedoch breitschlagen, ein kurzes Video zu drehen und lädt es auch direkt hoch. Die beiden verabschieden sich, April fällt todmüde in ihr Bett – und am nächsten Morgen ist nichts mehr, wie es vorher war. April und Andy werden überrannt von Anfragen von Journalisten, denn die Skulptur in Manhatten ist nicht die einzige ihrer Art: Weltweise sind in großen Städten Dutzende von ihnen aufgetaucht. Keiner weiß wer sie aufgestellt hat, zu welchem Zweck, oder wie das ganze logistisch funktioniert hat. Auf mysteriöse Weise gibt es keinerlei Material von Überwachungskameras. Und Andy und April waren die ersten, die ihr Erscheinen auf Video festgehalten haben, noch vor den großen Nachrichten-Magazinen oder Lokalreportern.
Ich wusste nicht genau, was ich von der Geschichte erwarten sollte, wie sie sich entwickeln würde, oder was im Zentrum der Erzählung stehen würde. Entsprechend hatte ich keine konkreten Erwartungen an den Verlauf der Geschichte. Dachte ich zumindest, denn das, was April und Andy widerfährt, hat mich trotzdem überrascht. Tatsächlich werden eigentlich zwei Geschichten erzählt: Die plötzliche Bekanntheit von April, was es mit ihr macht, mit ihrem Alltag aber auch ihren Beziehungen. Und der Auslöser für ihre Bekanntheit, die Skulpturen, die Spurensuche nach ihrem Ursprung und ihrem Zweck. Beide Erzählstränge sind natürlich tief miteinander verwoben und können nicht isoliert voneinander betrachtet werden. Sie bedingen sich gegenseitig, was ich mir beim Lesen immer mal wieder bewusst machen musste, wenn mich die Entwicklungen um die Skulpturen stutzig werden ließen. Umso besser hat mir die Schilderung von Aprils kometenhaftem Aufstieg gefallen. Ihre Geschichte steht dabei exemplarisch für so viele Phänomene unserer Zeit, die von der Macht der Aufmerksamkeitsökonomie geprägt ist. Mehr als es vielen von uns bewusst ist bringen wir jenen Macht, häufig sogar Geld, denen wir unsere Aufmerksamkeit schenken. Die Schilderung ihrer Erfahrungen und auch ihre eigene reflektierte Erzählweise hat mich gefesselt, und nur so durch die Seiten fliegen lassen. Am Schluss hat mich das Buch jedoch etwas unzufrieden zurück gelassen. Doch vielleicht ist es genau das, was ich aus dem Buch mitnehmen sollte: Dass wir selbst in unserer heutigen Zeit, die uns so viele Informationen zugänglich macht wie nie zuvor, nicht alles wissen und verstehen können.