Super spannend

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bücherwurm123 Avatar

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The Business Trip — Schattenwurf auf Identität und Vertrauen
Jessie Garcias Debüt im Thriller‐Genre bewegt sich auf einem schmalen Grat zwischen psychologischer Spannung und Realitätstauchung – und das ist zugleich seine größte Stärke und gelegentliche Achillesferse.
Handlung & Struktur
Auf den ersten Blick ist The Business Trip die Geschichte zweier Frauen — Stephanie, eine erfolgreiche TV‐Journalistin auf Geschäftsreise, und Jasmine, die aus einem gewalttätigen Umfeld fliehen will. Beide treffen (indirekt) auf denselben Mann, beide verschwinden, beide senden ähnliche, zunehmend beunruhigende Nachrichten. 
Doch Garcia nutzt nicht nur eine lineare Erzählung: Es gibt mehrere Perspektiven und Rückblenden, technische Elemente wie SMS, digitale Identitäten und journalistische Settings, die die Handlung nicht nur vorantreiben, sondern ein Eigenleben gewinnen.Diese fragmentierte Konstruktion sorgt dafür, dass man als Leserin / Leser permanent misstrauisch bleibt — wem kann man trauen? Wer spielt ein Doppelspiel? Dadurch bleibt die Spannung lange hoch.
Themen & Motive
Was The Business Trip besonders macht, sind nicht nur die klassischen Thriller‐Elemente (Verschwinden, Geheimnisse, unerwartete Wendungen), sondern wie Garcia das Thema Identität auslotet:
• Doppelgänger‐Motive: Zwei Frauen, äußerlich unterschiedlich, innerlich jedoch mit großen Leerstelle(n). Sie spiegeln sich, ohne sich zu kennen – bis allmählich klar wird, dass sie mehr verbindet als nur ein Flug.
• Täuschung und Selbstdarstellung: Wer sind wir, wenn wir uns in Nachrichten, Social Media, in Gesprächen mit Fremden präsentieren? Trent McCarthy etwa fungiert als Katalysator dessen, was jede der Frauen sich erhofft oder fürchtet.
• Flucht aus der Vergangenheit / Trauma: Jasmines Flucht vor Gewalt, Stephanies seelische Leere nach dem Auseinanderbrechen wichtiger Bindungen – beide tragen Narben und versuchen, Kontrolle zurückzugewinnen.
• Vertrauen / Misstrauen: In Beziehungen, aber auch zwischen Realität und Wahrnehmung. Leser:innen müssen oft raten, was echt ist, was gespielt ist.
Stil & Sprache
Garcia kommt aus dem Journalismus, und das spürt man: Der Stil ist meist klar, effizient, mit Blick auf Details in den Nachrichtenräumen, bei Flugreisen oder in den Abläufen um Identitätsüberprüfungen. Diese Authentizität verleiht dem Plot festen Boden, auch wenn bestimmte Wendungen und Zufälle an Grenze zur Unwahrscheinlichkeit geraten. 
Ein Kritikpunkt: In manchen Abschnitten wiederholt sich die Erzählweise zu stark; Perspektivwechsel bringen Spannung, aber auch Redundanz – gerade wenn dieselben Ereignisse aus verschiedenen Blickwinkeln geschildert werden, ohne dass neue Einsichten gewonnen werden. Einige Figuren wirken dadurch mehr wie Stellvertreter für Themen (Missbrauch, Flucht, Sehnsucht nach Anerkennung) denn als vollständig gezeichnete Menschen. 
Wendungen & Überzeugungskraft
Die Twists sind clever gesetzt. Man denkt, man hat eine Theorie – und dann kippt alles. Garcias Können liegt darin, Erwartungen zu spielen und umzulenken. Doch: Für Leser:innen, die stark auf Logik und Glaubwürdigkeit achten, könnten manche Wendungen zu konstruiert wirken. Es gibt Momente, in denen Charakterentscheidungen mehr dramaturgisch als psychologisch motivierten.
Persönliche Wirkung & Ausblick
Mich hat The Business Trip vor allem deshalb beeindruckt, weil es keinen ruhigen Moment gibt, in dem man sich sicher fühlen darf. Garcia füllt die Lücken – manches enttäuscht, manches überrascht – aber das Gesamtbild bleibt nachhallend. Ich habe das Buch nicht nur als spannende Lektüre erlebt, sondern als Warnung: Wie dünn der Schleier ist, hinter dem wir Identität, Glaubwürdigkeit und Selbstbestimmung schützen.
Als Debüt ist es stark; ich würde mir für zukünftige Werke wünschen, dass Garcia noch mehr Fokus auf die inneren Konflikte legt: Warum handeln Menschen so irrational? Nicht nur was passiert, sondern wie und warum wäre noch tiefer ausleuchtbar.

Ich würde es jedem weiterempfehlen.